creatores : DAS ARCHIV DER GRÜNDER : agrippas mund |
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Aurum Agrippae Schlusswort
l Die Dreiunddreißig rahmen Vierundsechzig, so wie Helles das Dunkle rahmt, Außen das Innen und Westen den Osten. Einer schreite als Herold voran.
Das Schöpferische. Im Leben der Menschen wie auch der Völker und Staaten, entsteht alles durch die Einwirkung von Schöpferischem auf ein Empfangendes. Die Geschicke der Menschen gedeihen, wenn das Schöpferische zu einem Zeitpunkt wirkt, da seine Macht am Höchsten entwickelt ist und deshalb milde anzuwenden, oft sogar vollkommen friedlich. Deshalb verhaltet euch in der Staatskunst wie in der Schlacht, wo ihr den Flankenangriff erst befehlt, wenn euer Zentrum zurückweicht. Lasst die Dinge reifen in der Zeit. Wartet auf den rechten Augenblick. Und verlacht nicht die einfachen Wahrheiten.
...
Manchmal bleibt nur der Weg, Gutes durch Schlechtes zu bewirken. Besser ist es, Schlechtes sich am Schlechten aufreiben zu lassen. Am besten jedoch wirkt ihr Gutes durch Gutes.
Das Empfangende. Wächst es über sich selbst hinaus und strebt von sich aus nach Veränderung durch das Schöpferische, so wird dessen Macht mit Leichtigkeit Neues erschaffen. Eine Cohorte im Lager an der Grenze des Feindes bewirkt dann mehr als zwei Legionen, die sein Land verwüsten. Gewalt ist immer nur der Notbehelf eines Schöpferischen, das die rechte Zeit versäumt hat. List findet den rechten Augenblick, an dem das Empfangende mit leichter Hand umgeformt wird vom Schöpferischen. Sprengt nicht mit Keilen und Hämmern den Felsblock, bevor ihr Essig in die Bohrlöcher gießt!
II Die Geschicke der Völker werden von ihren Staaten geformt. Republik, Oligarchie oder Monarchie, wilder Barbarenstamm, weit gelagertes Imperium oder Polis oder Gemeinschaft von Handelsstädten - die Völker dienen ihrem Staat und zahlen ihm Steuern. Der Staat ordnet sein Volk und schützt es nach innen wie außen. Er schuldet dem Volk gerechtes Gesetz und Sicherheit bei seinem Tagwerk.
Nur Staaten führen Krieg mit großem Heer. Ich rede nicht von Bandenkriegen oder Sklavenaufständen wie jenem des Spartacus oder von Polizeiaktionen gegen die Piraten, wiewohl für solche Zwecke Heere und Flotten aufgeboten wurden. Ich bespreche den Krieg zwischen Staaten. Je mehr Staaten es gibt, desto zahlreicher sind die Kriege. Folglich lebt, je weniger Staaten wir zählen, desto ungestörter das Menschengeschlecht im Frieden.
Bestimmung des Senates und des Volks von Rom ist es, Römischen Frieden über dem Orbis zu errichten, zur Ehre und zum Nutzen Roms, doch auch zum wohlerwogenen Vorteil aller Völker. Nur deshalb fügt Rom seiner Herrschaft Länder hinzu, damit Frieden herrsche im Rund des Orbis. Doch welche Länder sollen wir unter die Adler nehmen?
Weder wissen wir, was nördlich von ultima Thule liegt, noch ist es für uns von Belang. Weder wissen wir, wer westlich des Atlasmeeres haust, noch sollten wir unsere guten Flotten den Stürmen und Ungeheuern des Meeres aussetzen, um zu unterwerfen, den wir nicht kennen und der uns weder dienen kann noch schaden. Weder wissen wir, was im Mittag der großen Sandwüsten liegt, noch sollten wir tapferen Legionen in den wasserlosen Durst schicken, um menschenleere Glutöfen zu erwerben.
Wohl aber ist uns bekannt, wie das Morgenland beschaffen ist, wenn man Parthien durchquert und seine Grenzen hinter sich lässt. Dort leben, insofern sie Feinde unseres parthischen Feinds sind, unsere Freunde. Und noch weiter gen Morgen erhebt sich das Haus mit geschwungenen Dächern in gelber Farbe. Gelb sind die Dächer, weil die gelbe Farbe dort als die kaiserliche gilt, so wie bei uns der Purpur senatorischen Stand anzeigt und den ersten Männern des Staates vorbehalten ist. Die Herren des gelben Hauses haben mir Boten geschickt, um die Arbeit am Verdorbenen vorzuschlagen, und ich habe die Boten willkommen geheißen mit Wohlwollen.
Anfangsschwierigkeit hemmte uns bald, so wie fast jede Unternehmung, die über den Tag hinaus greift. Wir stecken zu Beginn oft in Verwirrung und Hemmnis. Zu viele Entwicklungen sind noch nicht abzusehen und hängen eine von der anderen ab. In dieser Lage war es nötig zu entwirren und zu trennen, was nicht gut eins bleiben konnte. Zwei widersprüchliche Strategien im Zelt des Imperators hätten sogar unser mächtiges Rom in den Abgrund gerissen. Das Richtige musste sich vom Falschen trennen, so dass das Falsche glaubte, selbständig zu planen. Solch Irrglaube beim falschen Gegenüber mag unserem Ehrgefühl unzuträglich sein. Dem nüchtern berechneten Vorteil jedoch nützt er vortrefflich.
Die Jugendtorheit mag verzeihlich sein. Sogar Octavian blieb nicht frei davon. Vielmehr, als er magister equitum für den parthischen Feldzug des vergöttlichten Casars war, und mit mir in Apollonia weilte, kurz vor Caesars Ermordung, da bestiegen wir das Observatorium des Astrologen, und auch Octavian erbat sein Horoskop, nachdem Theogenes mir so große Dinge geweissagt hatte. Doch er gab seine Geburtsstunde falsch an. Trotzdem kniete Theogenes vor ihm nieder und begrüßte ihn als Herrn der Welt.
Streiten zwei junge Männer um den rechten Weg, mag ihre Freundschaft darunter leiden oder auch nicht. Ist jedoch der rechte Weg einmal erkannt nach den Wirren des Bürgerkriegs, und es liegt klar zutage, dass zu hoch gesteckte Ziele Machtballungen erfordern, die leicht unter den Einfluss illoyaler Diener geraten, dann muss das Ziel den Machtmitteln und ihrer Kontrolle angepasst werden. Dann ist die Freundschaft junger Männer nicht länger das entscheidende Kriterium. Auf der Suche mag man uneins sein. Am Ziel müssen beide anlangen, sonst kommt es zur innerlichen Trennung, denn es kann nicht immer und immer weiter gefragt werden nach Antworten, die längst gegeben wurden und überprüft werden können von jedem, der das Rechenbrett zu handhaben weiß.
III Wenn wir im Namen des Senats und Volkes von Rom entscheiden über unsere Republik - wer führt dann und wer folgt? Die eingeschriebenen Väter besprachen zu hunderten die Angelegenheiten einer Stadt aus Holz und Ziegeln und fügten sie fest und machten sie groß. Sie regierten die Völker von Carthago bis zu den Quellen des Rhein und von Sagunt bis nach Epirus.
Nunmehr jedoch erstreckt sich Roms Imperium vom britannischen Ozean bis zu den schlammigen Flussufern Ägyptens und von Brigantium am westlichen Ozean an die Gestade des Euphrat. Nun mögen sechshundert oder vierhundert oder sogar nur zweihundert eingeschriebene Väter über das Vielerlei der Notwendigkeiten beraten - zum gedeihlichen Ende kommen sie nicht. Nur eine sehr viel kleinere Gruppe von Offizieren, ritterlichen Kaufleuten, Rechtsgelehrten und Verwaltungsbeamten kann die Herausforderung dieses unseres Orbis, bewältigen. Und damit es unter ihnen keine Rangstreitigkeiten gibt, kein Gegeneinander, sondern ein stetes Miteinander, stehe Einer an ihrer Spitze und leite sie als Imperator.
Das Warten. Nur Stärke ermöglicht das Ausharren vor der Gefahr. Das Warten kann entscheiden über Gelingen oder Untergang, denn wer schwach ist, wird vor der Gefahr nicht warten können, sondern in Verwirrung geraten und sich zu fehlerhaftem Tun hinreißen lassen. ( ... ) Geht stets behutsam vor. Rom ist groß. Es hat schon jetzt mehr zu verlieren, als es noch gewinnen kann. Durch Bedachtsamkeit mag mehr erreicht werden auf Dauer, als durch Überschwang. Wir sind stark. Wir haben Zeit. Wartet!
Der Streit. ( ... ) Beginnt keine Unternehmung in Zeiten des Unfriedens in euren eigenen Reihen.
IV Auf vielerlei Art kann der Imperator zur Spitze gelangen und Herrschaft erringen. Die übelste Art ist der Bürgerkrieg. Die beste Art der Nachfolge ist die Ernennung des jeweils Fähigsten durch seinen Vorgänger, was gemäß der menschlichen Natur nur selten gelingt. Dazwischen gibt es Mittelwege, die beschritten werden mögen, vorausgesetzt, die Heere und ihre Führer sind loyal, und das Volk hält zusammen.
Das Heer ist nur ein Werkzeug der Macht und nicht einmal das Wichtigste. Wohl kann es die Welt zerstören. Es kann drinnen und draußen, innerhalb oder jenseits der Grenzen zerschlagen, was ihm in den Weg tritt. Doch kann es wenig aufrichten, bedarf vielmehr zu seiner eigenen Aufrichtung des steten Nachschubs an Nahrung, Männern und Waffen. Auch mag das Heer Lager aufrichten, Straßen bauen oder Dämme. Es mag durch sein tatenloses Verharren wirken als Drohung, um etwas ohne Blutvergießen zu erzwingen oder Barbaren davon abzuschrecken, mit Rom Händel zu suchen. Aber errichten kann das Heer nichts. Es ist die Macht zu vernichten. Nicht ist es die Macht zu gestalten. Das Heer ist unverzichtbar. Aber ein Narr, wer es sich am Heer genug sein lässt!
Das Zusammenhalten. Nichts kann die schöpferische Macht gestalten ohne Zusammenhalt im Volk. Der Zusammenhalt im Volk fördert Handel und Wandel. Handel und Wandel erlauben die Erhebung von Steuern, mittels derer das Heer erhalten wird wie auch die zivile Verwaltung, die Gerichtsbarkeit, die Marktaufsicht, der Bau von Straßen, Wasserleitungen, Bibliotheken, Abwasserkanälen und Tempeln sowie der Betrieb der Zirkusspiele. Doch Obacht, denn zu hohe oder ungerechte Steuern sind der gewisse Weg, ebendas zu zerstören, was Voraussetzung ist für die Besteuerung überhaupt, nämlichen den Zusammenhalt. Ein ungerechtes Steuerwesen fördert Unzufriedenheit und Rebellion im Inneren. Im Äußeren jedoch, jenseits der Grenzen soll euch die ungerechteste Besteuerung die liebste sein, denn sie macht die Völker feindlicher Staaten empfänglich für Roms gerechtes Gesetz und ermöglicht deren Eingliederung in den Orbis, wodurch der Römische Friede sich ausdehnt über den Erdkreis.
V Der Imperator kann durch Usurpation wechseln, durch das Nachrücken eines Leibeserben oder eines Adoptivsohnes. Wie auch immer - stets wird Roms Imperator wünschen, überall zugleich zu sein. Denn während die Parther im Osten wieder versuchen, Armeniens König auf den Thron zu heben, wird sich zugleich in den germanischen Wäldern ein Barbarenstamm regen. Numidische Reiter werden unsere Handelskarawanen bedrängen, während wir die Donaugrenze sichern. Und wenn wir Triumphe feiern mit großen Spielen in Rom, werden junge, noch nicht ganz befriedete Provinzen aufständisch. Dort überall muss einer kommandieren.
Stets ist der Imperator im Dilemma: Wohin gehe ich selbst, um zu kommandieren? Wer bleibt in Rom, wo die Fäden zusammen laufen? Wenn ich aber Feldherren Heeresmacht übertrage, werden sie dann immer treu die anvertraute Macht nach meinem Gebot nutzen? Oder versuchen sie mit einem siegreichen Heer im Rücken, mich zu verjagen um selber nach der Macht zu greifen?
Was ist Macht? Macht ist die Fähigkeit, Menschen zu zwingen, etwas zu tun, das sie nicht tun wollen, etwas zu geben, das sie behalten wollen, etwas zu dulden, das sie nicht dulden wollen oder etwas zu unterlassen, das sie zu tun begehren. Die größte Macht ist jene, die auf Zwang verzichten kann, weil die Menschen ihrem Gebot freiwillig folgen, bewogen durch Schrecken, begründetes oder falsches Vertrauen. Die allergrößte Macht jedoch beruht auf dem begründeten Vertrauen. Solches Vertrauen gewinnt nur eine Macht, die die Nöte im Leben der Menschen lindert und ihnen Vorteil verschafft.
Vielfältig sind die Quellen der Macht. Manche davon könnt ihr nutzen, manche bleiben euch immer verwehrt.
Gebraucht die Macht der schieren Materie, als da sind Muskelkraft, Waffen, Werkzeuge, Gold, die Stärke der Legionen, die Gebärfähigkeit der Frauen, die Geschwindigkeit, weshalb wir gute Pferde züchten müssen, schnelle Schiffe bauen und die Welt mit Straßen erschließen. Auch die Versorgung mit den lebensnotwendigen Gütern wie Wasser und Getreide gehört zu den Quellen der Macht.
Benutzt die Macht der Herkunft. Ihr gemäss ist Octavian Imperator, weil die Abkunft von einer Schwester Caesars mehr gilt als das dalmatische Rittergeschlecht, von dem Agrippa abstammt. Demgemäß sitzt Agrippa bescheiden zur Rechten des Imperators, bis er ihm nachfolgt. Oder einer von Agrippas Söhnen tritt die Nachfolge Octavians an. Die Macht der Herkunft ist zufällig.
Gebraucht die Macht der großen Zahl. Mehrheiten in Volk und Senat können euch dienlich sein. Schätzt auch die Provinziallandtage nicht gering. Sie alle können eure Wünsche verkünden, ohne dass ihr den Mund auftun müsst. Sie können an eurer Seite stehen oder sehr lästig fallen, wenn sie gegen euch sind. Wenn ihr Entscheidungen verzögern wollt, dann überlasst sie den Mehrheiten. Es wird immer Zeitverlust geben, bis sich die Mehrheit gebildet hat. Andererseits werdet ihr Entscheidungen, hinter denen Mehrheiten stehen, leichter und dauerhafter durchsetzen.
Benutzt die Macht des Wissens. Sie ist eure wahre Macht.
Gebraucht die Macht der Gefühle: Stolz, Gier, Angst, Furcht, Sehnsucht, Liebe, Eitelkeit, Treue und Hass könnt ihr bei den anderen benutzen. In euren eigenen Herzen lasst diese Gefühle von der Selbstbeherrschung verwalten.
Benutzt die Macht des Amtes, wenn der Senat und das Volk oder der Imperator euch ein Amt verliehen haben.
Gebraucht besonders weise die Macht des Zugangs. Sie ist die eigentümlichste Macht jener zur Rechten des Imperators. Ihr entscheidet, wer vorgelassen wird und bei wem. Ihr entscheidet, wem Wissen überbracht wird durch wen. Ihr entscheidet, wer nicht vorgelassen wird und wer unwissend bleibt.
Benutzt die Macht der Überzeugung.
Gewährt niemand Einblick in eure Machtverhälnisse und die Abhängigkeiten in die ihr selbst verstrickt seid. Macht wirkt am besten im Verborgenen. Eure Abhängigkeiten werden, einmal bekannt, von Unbefungten gegen euch verwandt.
Macht, die nicht im Verborgenen wirkt, wirkt durch Vertrauen, durch Drohung oder durch Anwendung. Letzteres ist oft am wenigsten wirksam und zudem oft mit dem Verschleiß der eigenen Machtmittel verbunden. Die erfolgreiche Drohung mit einer Legion hat keine Verluste zur Folge. Doch selbst der schönste Sieg der Legion kostet Leben, Geld sowie Zeit.
Die Macht kann verliehen werden unmittelbar von den Göttern - was stets präziser irdischer Vorbereitungen bedarf. Besonders die Orakel und Horoskope und die Auslegung der Sibyllinischen Bücher müssen bei diesem Verfahren genau bedacht werden. Es wäre blanker Unfug, den Willen der Götter dem Zufall zu überlassen.
Die Macht kann erheiratet werden.
Die Macht kann auch geteilt werden nach einem Übereinkommen der Stärksten im Reich. Sie können sich dem Allerstärksten unterwerfen und dabei ihre eigene Machtbefugnis festigen und aushandeln, der Tatsache gewiss, dass sie zusammen immer stärker sein werden als der Stärkste unter ihnen - was sie vor ihm schützt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass an jeder Grenze des Reiches, die strenger Überwachung bedarf, ein Mächtiger sich aufhält, der selbst aus eigener Macht entscheidet zum Nutzen aller.
Der Nachteil ist, dass immer wieder einer dieser Starken die eigenen Kräfte überschätzen wird und nach der ganzen Macht greift. Wüsste ich einen Weg, die Mächtigen Einsicht in das Verhältnis der Kräfte zu lehren, könnte man ihnen vertrauen. Doch solche Weisheit ist eine Gabe. Sie wird schwerlich gelehrt und gelernt. Deshalb bedarf es dauerhaft unserer Anwesenheit zur Rechten des Imperators.
Oder die Macht kann geteilt werden, indem ein schwacher Popanz sie repräsentiert, hinter dem die wirklich Mächtigen sich verstecken, entweder, weil sie auf den Anschein und den Triumph keinen Wert legen, oder weil sie dem Volk zu verhasst oder verächtlich sind, um offensichtlich an der Spitze des Staates zu stehen, ohne eine Rebellion herauszufordern. ( ... )
Octavian jedoch ist dem Volk weder verhasst noch verächtlich.
Des Kleinen Zähmungskraft. Solange nicht bereit ist, was bereit sein muss, und die Macht soll dennoch handeln, muss der zur Rechten des Imperators sanft hemmen und gleichsam den Wagen umlenken im Kreis, damit er nicht unbedacht vorprescht, im Sumpf stecken bleibt oder am Felsen zerbirst.
Und wenn bereit ist, was bereit sein muss, doch die Macht will nicht handeln, sondern verharrt in Zaudern oder bloßer Trägheit, dann muss der zur Rechten des Imperators sanfte Verlockungen schaffen, entweder zum Handeln oder, je nachdem, um den Imperator abzulenken vom Gebrauch der Macht und hinzulenken auf Muße oder Ausschweifung jeder Art, damit die zur Rechten ungestört tun können, was getan werden muss.
Beim Auftreten heißt es im Urteil des Orakels der Gelben Pagode: Auftreten auf des Tigers Schwanz. Er beißt den Menschen nicht.
Dies zu bewerkstelligen sei eure Kunst!
VI Seid zur Rechten des Imperators an eurem Ort. Unser Dienst gilt jedoch allein dem Römischen Frieden und dem Erhalt des Orbis. Wir dienen nicht der persönlichen Macht des Imperators. Vielmehr hemmen oder stören wir die Macht, wenn sie in die Irre geht. Wir treiben die Macht, wenn sie fahrlässig zaudert. Mehr noch - wir legen Roms strategische Ziele und taktisches Vorgehen fest. Beides ist zu wichtig, um es den Zufälligkeiten des Imperators zu überlassen. Wir sind der Wille im Kern der Macht, ein Wille, von dem der Imperator nicht unbedingt zu wissen braucht.
Doch er mag von uns wissen. Es mag der Fall eintreten, dass der Imperator einer der Unsrigen ist. Dann müssen wir wachsam sein, dass er nicht unsere Ziele der dynastischen Versuchung opfert, die auch ihn anfeinden wird, weil der Besitz der Macht sie nahezu zwangsläufig mit sich bringt.
Es mag der Fall eintreten, dass der Imperator von uns weiß und uns stillschweigend duldet oder sogar bewusst mit uns zusammen arbeitet.
Es mag der Fall eintreten, dass der Imperator von uns weiß oder ahnt, ohne uns jedoch genau zu kennen. Dann müssen wir herausfinden, ob und wie wohlgesonnen er uns ist, bevor wir uns zu erkennen geben, wenn wir es nicht vorziehen, unerkannt zu bleiben.
Es mag der Fall eintreten, dass der Imperator von uns weiß und uns tückisch hemmt oder gar absichtsvoll nachstellt. Dann muss dem Imperator seine Macht genommen werden.
Am häufigsten wird jedoch der Fall eintreten, dass wir im Verborgenen arbeiten zum Wohl des Orbis. Immer, wenn dem so ist, sollten wir es dabei belassen, bis wir ganz und gar sicher sind, dass der Imperator unser Vertrauen verdient, und wir wagen dürfen, unser Leben in seine Hand zu legen, zu welch höherem Zweck auch immer.
Der Friede Roms ist gesichert, wenn Roms Schöpferisches und das Empfangende des Erdkreises im rechten Verhältnis stehen. Auch das Schöpferische zur Rechten des Imperators und das Empfangende beim Imperator selbst müssen ausgewogen sein.
Die Stockung. Stehen aber Schöpferisches und Empfangendes in verkehrtem Verhältnis, weil ersteres schwach und das zweite zu stark ist, dann gibt es Stockung. Vermeidet es, böse oder dumme Menschen zu dulden in den Reihen des Schöpferischen wie des Empfangenden. Dies sei eure Grundregel.
VII Bei ausgewogenem Verhältnis zwischen dem Schöpferischen und dem Empfangenden ordnet Roms Friede den Orbis, den Kranz der Länder um das Mittelmeer. Doch schon heute haben wir den Kranz dieser Länder erweitert, im Bestreben, sichere Grenzen zu ziehen. Wir haben ihn erweitert bis wenige Meilen vor die britischen Inseln - die wir jedoch nie besetzen sollten, um nicht jene wunderbar natürliche Grenze zu vergeuden, an welche die Götter uns geführt haben. Wir haben den Erdkreis erweitert bis zu den nördlichen Gestaden Galliens und bis zum Rhein - über den wir nicht hinausgehen sollten. Wir erstreben die Donau als Grenze, den Pontus Euxinus im Norden Kleinasiens und die syrischen Wüsten im Osten des Erdkreises, jenseits der Länder meines Freundes Herodes. Im Süden unseres Meeres beherrschen wir nur jene schmalen Landstriche, die noch nicht zu heiß und trocken sind.
Außerdem beherrschen wir beinahe schon Ägypten, was sich als unvorteilhaft erweisen dürfte, denn wir sollten es besser aufteilen in fügsame, handlungsunfähige Stadtstaaten, Priesterstaaten und eine Anzahl schwacher Klientelfürstentümer mit vielen Menschen und geringen Einkünften, so dass es zuverlässig mit einer einzigen Legion auf Dauer zu überwachen ist. Doch auch in diesem Punkte teilt Octavian nicht unsere Meinung. Er will das Land besitzen aus dem Cleopatra stammte, die Mutter Caesarions, des einzigen leiblichen Sohns des vergöttlichten Caesar. Ich aber sage: Dies ist unnütz. Ägypten ist Tand!
Octavian will den Nilhandel und den Handel am Sinus Arabicus besteuern. Ich sage, dass wir ihn betreiben sollten in Form bewaffneter römischer Kaufmannschaften, die sich in einem Gewühl von Klientelstaaten bewegen gleich Fischen im Wasser.
Er will die vermeintlichen Geheimnisse des Ostens dem Orbis dienstbar machen und sie in Roms Friedensordnung eingliedern. Ich aber weiß, dass es einen ferneren und geheimnisvolleren Osten gibt als Ägypten oder das Zweistromland und will den Seeweg dorthin offen machen, sodass die zur Rechten des Imperators ungestört Zwiesprache halten mit ihren Brüdern im Gelben Haus. Ägypten ist hierzu der Schlüssel. Jede andere Verbindung kann von den Parthern ganz nach deren Belieben blockiert werden.
Gemeinschaft mit Menschen lautet im Urteil des Orakels - und wir säumen nicht, dies auf den Seeweg nach dem fernen Osten zu beziehen: Gemeinschaft mit Menschen im Freien: Gelingen. Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren. Fördernd ist des Edlen Beharrlichkeit.
Ohne unsere Brüder hätte die Arbeit am Verdorbenen gar nicht begonnen. Wäre nicht ihr Bote gekommen auf einem Schiff, so hätte ich nie erfahren, dass die zur Rechten des Imperators gar nicht trachten müssen, den Imperator zu stürzen. Denn unsere Geschichtsschreiber kennen nicht einen Fall, in dem die zur Rechten des Imperators durch Epochen und Jahrhunderte am Schicksal des Volks und des Staats und des Friedens erfolgreich gewirkt und gewebt hätten. Ich hätte nach eigenem Urteil geglaubt, dies sei unmöglich, weil ohne Beispiel. Früher oder später müsse der Imperator zwangsläufig einmal die zur seiner Rechten in ihrem ganzen Anspruch erkennen und sie in Tod und Schande zertreten. So etwas ist aber im Gelben Haus nie geschehen, weshalb es gut ist, mit solchen Brüdern Gemeinschaft zu halten, mit älteren Brüdern, von denen gut lernen ist und ohne Zwietracht über gemeinsames Erbe.
Der Besitz von Großem kann der Gemeinschaft mit Menschen hinderlich sein. Der Besitz von dem Großen jedoch, das wir ohne Erbstreitigkeit miteinander teilen, meint das Wissen, das wir austauschen und füreinander erproben. Ein Klumpen Gold nützt keinem, der ihn nicht bewegen kann. Kein Würzsaucenhändler wird dir auch nur eine Amphore Garum überlassen, wenn er zu dir kommen muss, um deinen Goldklumpen zu betasten, und dann unbezahlt von dir scheiden.
Wir sind aber keine Privatleute. Was wir Großes besitzen, behalten wir nur zum Nießbrauch und stellen es insgeheim in den Dienst der Pax Romana. Sei es, dass wir mithilfe unseres Besitzes die Feinde teilen, um sie zu beherrschen, sei es, dass wir mithilfe unseres Besitzes den Zusammenhalt des Volkes und des Heeres stärken. Unser Besitz dient dem Orbis.
VIII Jeder Privatmann könnte die Bleigruben der Germania Magna unbekümmert ausbeuten. Ein römischer Staatsmann jedoch möge prüfen, ob sein privater Nutze nicht dem Gemeinwohl schadet. Es ist nicht weise, ein Gebiet mit der Macht unserer Legionen zu besetzen, wenn nur der Imperator in dieser Landschaft großen Gewinn erzielt, und es auf dem Forum heißt, Römer müssten in den Urwäldern Germaniens verbluten, um Octavians Privatschatulle zu füllen. Daraus entsteht die politische Notwendigkeit der Lüge dem Volk gegenüber. Um den privaten Nutzen zu verschleiern heißt es, die Germania Magna bis zum Fluss Albis sei für Rom wichtig, um eine Grenzverkürzung zu erzielen.
Die Bescheidenheit ist erforderlich, um zur Rechten des Imperators überhaupt zu bestehen. Nicht wohl wäre es dem Sieger von Actium bekommen, hätte er sich vor Octavian seines Sieges gerühmt. Aber der Sieger hat sich in Bescheidenheit geübt und siehe, er wurde erhoben. So sollt auch ihr das Werk vollenden, ohne euch der Vollendung zu rühmen. Euch genüge, zu wissen, dass ihr es wart. Soll der Imperator glauben, er wäre es gewesen! Soll das Volk ihm huldigen dafür! Ihr lächelt still am Straßenrand der Via Triumphalis. Wählt nicht die Eitlen zu euren Genossen. Wählt die Wirksamen.
Die Begeisterung. Wenn aber der Imperator würdig ist seines Platzes, dann steht nicht beiseite und hadert und nörgelt. Handelt der Imperator in Übereinstimmung mit der Strategie und Taktik Roms, wie wir sie festlegen, dann sind wir nicht kleinlich und spinnen Ränke. Rodet nicht die aufgegangene Saat und sprengt nicht das feste Pflaster der Straße, die vor euch liegt. Vielmehr erntet unter Lobgesängen und schreitet voran zum Klang der Zimbeln und Pauken und Tuben voller Begeisterung, denn es stünde uns schlecht zu Gesicht, eitel zu ändern, was bereits gut ist, nur um zu zeigen, dass wir es können.
Solch begeisterter Nachfolge jedoch werdet ihr euch nur selten hingeben dürfen oder, je nach eurem Naturell, unterwerfen müssen. Nicht jeder Imperator ist würdig.
IX Zuerst befriedeten wir die Narbonensis und die Schneehänge der Alpen, um Barbareneinfällen nach Norditalien den Weg zu versperren. Dann eroberte der vergöttlichte Caesar ganz Gallien, um ebendiese neuerworbenen Gebiete abzusichern. Dann befestigte ich den Rhein und befriedete dortige Stämme, um einen Riegel nach Osten zu bauen. Nun soll dieser Abschluss nicht mehr gelten und auch die Pläne, im britischen Ozean eine Flotte zu stationieren, werden zurück gestellt zugunsten neuer Berechnungen, auf Caesars Spuren die Meerenge zu überschreiten und neues Gebiet zu erwerben. Ich aber sage, lasst uns die britannische Flotte auf Kiel legen, um die Ufer der Insel mit Schrecken zu überziehen, wenn sie aufsässig sind und mit Handel zu beglücken, solange sie im Schatten unserer Adler zittern. Und ich sage, lasst uns am Rhein stehen bleiben, denn einen breiteren Fluss als Grenze finden wir nicht und es wäre albern, für die Gewinnung einer Front Elbe-Donau Männer zu opfern. In der Mitte ist Rom. Um Rom legt sich der Orbis. Hinter dem Orbis liegen die Ränder. Lasst sie Ränder der bekannten Welt bleiben! Schlagt sie nicht dem Orbis zu, denn der befriedete Raum bedarf der Drohung von außen, um sich dem Römischen Frieden zu beugen.
Die eigentliche Nachfolge schuldet unter euch einer dem anderen und ihr alle miteinander dem princeps zur Rechten des Imperators, so wie jener sie euch schuldet. Umgebt euch nur mit euresgleichen. Vertraut nur einem der Unseren. Bewahrt den Römischen Frieden in euren Herzen, nicht auf der Zunge, denn schwer nur fügen Roms Lenker sich der Tatsache, dass ihre Republik nicht Selbstzweck ist, sondern höheren Zwecken dient. Wählt euren Umgang sorgsam! Weder Leutseligkeit noch Schmeichelei oder Drohung schaffen Parteigänger.
Die Arbeit am Verdorbenen beschreibe ich in meinen Dialogen. Dort steht mein Bericht, wie der Bote der Gelben Pagode dieses Orakelzeichen in den Sand meines Peristyls harkte. Damals wusste ich nicht, dass das Zeichen im ursprünglichen Sinne eine Schale voller Maden und Würmer darstellt, sonst hätte ich im Zorn den Boten kreuzigen lassen, statt ihm wohlwollend zu lauschen. Bei aller Misslichkeit der Lage - Rom mit einer Schale Würmer zu vergleichen, wäre mir damals unerträglich erschienen. Es gab Unstimmigkeiten zwischen dem Imperator und denen zur Rechten, das wohl. Es sah nicht danach aus, dass wir uns ohne Gewalt durchsetzen könnten, das wohl. Aber das von den Vätern Verdorbene war dennoch keine Schale voller Maden, allenfalls, eine prächtige Schale, die nicht ganz sauber ausgewischt war, so dass sie ihrem Träger mit Leichtigkeit aus der Hand gleiten, zu Boden fallen und bersten konnte. Die von der Römischen Wölfin gesäugten Zwillinge hatten keine verdorbene Milch getrunken. Es wurde nur erneut verhandelt, wer da pflügt und wer über die grenzziehende Furche springt.
X Stets über die Grenzen brach Zwist aus. Nie war die innere Ausgestaltung des Orbis strittig. Segimer aber sprach: Rom wird Germanien niemals erobern, so wenig wie das schärfste Schwert Wasser ersticht. Das Schwert sticht, und das Wasser macht Platz. Das Schwert zieht sich zurück, und Wasser fließt nach. Fahre so fort nach deinem Belieben, mein Feldherr, am Ende trägst du ein rostiges Schwert in der Hand und das Wasser ist immer noch da.
So wäre das Hinterland unserer Elbgrenze beschaffen. Was wir an Truppen einsparten wegen der kürzeren Grenze müssten wir doppelt und dreifach im Hinterland stationieren, um den Raum zwischen Elbe und Rhein zu befrieden.
Die Annäherung. Wir nähern uns der Vollendung des Orbis, so wie ihn unser Zeitalter kennt. Noch ist Zeit, hier und da eine Provinz anzufügen, den Orbis rund zu machen, die Grenzen zu verkürzen, Rom hinter Flussläufen und Gebirgen zu sichern. Doch mit der Vollendung nähern wir uns auch dem Zeitpunkt, da weitere Ausdehnung dem Römischen Frieden mehr Schaden zufügt als nützt. Die größte Macht kann, wenn sie überanstrengt wird, in Schwäche umschlagen. Deshalb müssen wir zur Rechten des Imperators bei der Befestigung eifriger wirken, denn bei der Vergrößerung Roms.
Die Betrachtung. Hier sagen die Schafgarbenstängel des Orakels der Gelben Pagode: Sehet das Licht des Reichs. Wirkt als Gäste des Königs. ( ... )
XI Pflegen wir Haut oder Körper? Gilt uns das Innere des Orbis mehr als seine Grenze? Beides ist gleich wichtig und keins gedeiht ohne das andere. Doch Octavian widmet zuviel Aufmerksamkeit unserer Haut. Je ausgedehnter er sie spannt, desto größere Triumphe bewilligen ihm Senat und Volk. Gut gepflegte Straßen und sichere Häfen im Inneren sind aber wichtiger als vorgeschobene Grenzkastelle im Sumpf. Eine starke, gutbemannte Flotte vieler Schiffe, die Truppen bei Gefahr rasch über unser Meer befördert, ist wichtiger denn fünf Legionen mehr an den Grenzen. Verlässliches Wirtschaften mit Rom ist wichtiger als die Frage, ob das Land unter einem römischen Provinzstatthalter lebt oder unter einem Rom gewogenen Klientelfürsten. Die Güter des Landes beanspruchen wir zu einem gerechten Teil für Rom. Die Schwierigkeiten des Landes aber sollte nicht Rom lösen. Sie bleiben in Verantwortung von Klientelfürsten, die umso ängstlicher sich an Rom lehnen, je heftiger ihre Untertanen sie anfeinden. Rom muss die Sehnen, Muskelstränge und Gelenke des Orbis beherrschen. Das Fett dazwischen mag unter Klientelfürsten prall werden. Mein weiser Freund Herodes sagte einmal: kein kaiserlicher procurator, kein legatus augusti oder senatorischer proconsul wird je eine Provinz so zuverlässig lenken wie der Klientelfürst. Warum? Weil ihr dem Klientelfürsten zwei Zügel anlegt - Roms Willen und die Wünsche seines Volkes. Euren Statthalter hingegen bindet und lenkt nur ein Zügel.
Das Durchbeißen. Wo ein Hindernder und Hemmender, wo ein Voreiliger oder Anmaßender der Klärung von Verhältnissen in Harmonie entgegenwirkt, ist rücksichtsloses Durchgreifen geboten, denn jeder Fehltritt des Imperators zermalmt Hekatomben.
Die Anmut. ( ... )
XII Folglich müssen die zur Rechten des Imperators stets am Ratstisch obsiegen. Sie müssen Octavian überzeugen und die übrigen Räte. Wenn sie nicht überzeugen können, müssen sie locken oder zwingen. Vermögen sie auch dies nicht, dann müssen sie die Durchführung falscher Entscheidungen auf jegliche Art hemmen. Sind sie nicht einmal hierzu in der Lage, dann sollen die zur Rechten gute Miene zum bösen Spiel machen und sich in Unauffälligkeit üben.
Wie die Zersplitterung über Roms Führung kam, mitten aus dem Erfolg und dem Gelingen, ist nur erklärlich durch Fortunas Rad. Es ist in der Tat eines der größten Geheimnisse der menschlichen Natur, wie sie ohne Not und ohne eigentlichen Wettstreit immer wieder Zwist hervorbringt. Nie und nimmer hätte ich gegen Octavian aufstehen können. Ich kann es bis heute nicht. Nur mit ihm und durch ihn vermögen wir im Augenblick zu wirken. Wozu also die Eifersucht?
Kannst du aber schlimmen Zeitläuften nicht wehren, so füge dich, während du Kraft sammelst.
Die Wiederkehr - die Wendezeit - die Zeit eurer Schwäche währt nicht ewig. Was Fortunas Rad in den Abgrund schleudert, hebt die Glücksgöttin ebenso wieder empor in den Zenit. In den menschlichen Verhältnissen bedarf die Umkehr allerdings einer Entschlusskraft, an der es vielen mangelt, zumal einem Herrscher, den Goldgier oder Beifall des Volks in die falsche Richtung ziehen - zur Expansion über den Orbis hinaus. Die Goldgier bemäntelt Octavian mit seiner bescheiden altrömischen Lebensführung, und der Beifall der Straße hilft ihm, den Senat kaltzustellen, wo immer noch Kräfte versuchen, die republikanische Verfassung unserer Väter wieder aufleben zu lassen. Dies aber können wir aus den gegebenen Gründen nicht dulden. Also muss das Haus Octavians seine jetzige Stellung behalten, selbst wenn ihm die erforderliche Entschlusskraft nicht zueigen ist. Sogar dann, wenn mein Alter und meine Gesundheit es mir verwehren sollten, Octavians Erbe anzutreten! Um wie viel dringlicher also bedarf Rom jener zur Rechten des Imperators!
Wird nämlich die Umkehr versäumt, so lautet das Orakel: Unglück von außen und innen. Wenn man so Heere marschieren lässt, werden sie furchtbar unterliegen. Auf zehn Jahre und länger wird der Fürst handlungsunfähig! Dies darf dem Orbis nicht widerfahren. Um dies zu verhindern leben die Ratsherren zur Rechten des Imperators.
XIII Der Ratsherr, der im Disput beim Gastmahl oder am Kartentisch obsiegt, stellt vor dem Rat viele Berechnungen an. Der Ratsherr, der am Ende nachgeben muss, sei es aufgrund schlechter Argumente oder dank schwacher Rhetorik, sei es aufgrund lauterster Überzeugung oder nach Anschwärzung und Intrige, dieser unterlegene Ratsherr jedenfalls hat zuvor kaum Berechnungen angestellt. Viele Berechnungen führen also dazu, dass ein Vorschlag angenommen wird - wenige Berechnungen führen zur Ablehnung. Indem ihr diesem Punkt Aufmerksamkeit schenkt, verhelft ihr eurer eigenen Strategie zum Durchbruch, und während andere Räte streiten, seht ihr voraus, wer von ihnen obsiegt und wer nachgeben muss. Hütet euch jedoch vor allzu langwieriger und zögerlicher Berechnung oder auch nur vor deren Anschein, denn ein beherzter Gegner wird euch sonst in der Besprechung überrumpeln.
Die Unschuld - das Unerwartete. Verlasse dich nie auf Orakel, deren Ausgang du nicht selbst bestimmst. Mache die Finger des Haruspex mit Sesterzen geschmeidig und seine Zunge mit Denaren. Nutze das Orakel, wenn es dir hilft, deine Gedanken in die rechte Reihenfolge zu bringen. Nutze es nicht, indem du deine Entscheidungen von ihm abhängig machst. Als Beispiel diene dieses Orakelzeichen, denn es verkündet im Urteil: Bei unverschuldeter Krankheit nimm keine Arznei, denn sie wird von selber heilen. Nein - Roms Krankheit mag unverschuldet sein. Heilen jedoch müssen wir sie durch unseren schmerzhaften Eingriff!
Dennoch gebrauche die Sibyllinischen Bücher und den Vogelflug und die Eingeweideschau - aber nicht für deine Berechnungen, sondern für die Augen des Volkes.
Des Großen Zähmungskraft. Steht nie außerhalb! Verweigert euch nicht! Vergeudet keinen Tag mit falscher Bescheidenheit, die doch in Wahrheit heimlicher Stolz ist. Nicht die Kleinen am Rande regieren die Welt, sondern der Imperator und die zu seiner Rechten. Rümpft nicht zur Unzeit die Nase, und ziert euch nicht, wenn man euch öffentliche Ämter anträgt. Dient, so ihr vermögt, Octavian und zugleich unserem heimlichen Anspruch.
XIV Vor dem Rat bereite dich auf die Sitzung vor. Im Rat bereite dich auf die Zeit zwischen den Ratssitzungen vor. Die größte Leistung besteht darin, unsere Pläne durchzusetzen, ohne dass es darüber zum Streit kommt. Die zweitgrößte Leistung besteht darin, einen unterschwelligen Streit nicht ausbrechen zu lassen, damit wir als Partei unerkannt bleiben. Deshalb machen wir uns Bestechung und Erpressung zunutze, ebenso wie Ablenkung jeglicher Art.
Bricht trotz Vorsorge offener Streit aus, dann setzt euch durch! Wenn wir jeweils die Sachlage kennen, den Gegner kennen und uns selbst, brauchen wir den Ausgang keines Disputes zu fürchten. Wenn wir uns selber kennen, doch nicht den Gegner, bleiben Sieg und Niederlage in der Waage. Sind wir jedoch müßig, vielleicht weil wir hoffen, den Streit entweder zu vermeiden oder am offenen Ausbruch zu hindern, dann unterliegen wir in jedem Disput.
Darum bereitet euch auf jede Variante vor, und, vorausgesetzt Zeit und Kraft genügen, auf die jeweils erste und die zweite Weiterung der Variante. Dann ist Octavian Wachs in eurer Hand.
Die Mundwinkel. Bei aller Sorge für den Staat und seinen Frieden vergesst nicht eure eigene Versorgung. Ihr könnt nicht Macht erringen und sie weitergeben, wenn ihr nicht in gesicherten Umständen lebt. Häuft Vermögen und stellt es den Tüchtigen zur Verfügung. Die zur Rechten des Imperators brauchen keine Aediln. Des quaestors hingegen bedürfen sie dringlich.
Des Großen Übergewicht. Wird der Fürst übermütig durch Erfolg, mag sich in Rom Macht ballen, die von den Provinzen her nur schwer im Zaum zu halten ist. In solcher Lage ist es förderlich, zu mindern, was zum Übermut geführt hat. ( ... )
XV Die geschickteste Form der Einflussnahme legt unsere Pläne dem Gegner in den Mund. Die nächstbeste Form ist es, gegnerische Pläne zu widerlegen und dergestalt zu obsiegen. Die nächstbeste Form nutzt Unstimmigkeiten zwischen verschiedenen Gegnern für unserer Pläne. Zwietracht der Gegner ist stets willkommen. Die schlechteste Form der Einflussnahme ist es, bereits getroffene Ratschlüsse jämmerlich zu kritisieren, aber auch dies muss nicht immer zutreffen, denn wie steter Tropfen den Stein höhlt, so mag öfters auch beharrliches Nörgeln und Wiederholen unserer zuvor abgewiesenen Argumente zum Erfolg führen. Das hängt von der Willenskraft, der Gesundheit und dem Gemüt unseres Gegners ab.
Die höchsten von uns werden mit dem Imperator zu tun haben. Aber wir werden auch legaten einsetzen an verschiedenen Punkten des Imperiums, dort, wo wir uns nicht persönlich kümmern.
Es gibt mancherlei Art, unsere legaten ins Unglück zu stürzen:
Wenn wir ihnen Einflussnahme befehlen und dabei übersehen, dass ihr Gegner am Ratstisch unschlagbar ist oder über jeden Einfluss erhaben. Oder wir übersehen, dass unsere geschätzten legaten sich durch Einflussnahme ihrer Tarnung berauben. Oder wir erlegen ihnen, ganz im Gegenteil, Zurückhaltung auf, nachdem sie sich zuvor heftig eingesetzt haben, so dass gerade Zurückhaltung sie nun verdächtig macht.
Wir schaden den legaten, wenn wir ihnen etwas auferlegen, das über ihre persönliche Kraft geht. Wir schaden ihnen, wenn wir sie bei ihrem Vorgehen auf Menschlichkeit und Gerechtigkeit verpflichten. Der Staat muss menschlich und gerecht geleitet werden. Am Ratstisch obsiegen Rücksichtslosigkeit und Opportunismus. Der Tugendhafte mag ein guter Herrscher sein. Am Ratstisch wird der Tugendhafte zuverlässig unterliegen.
Das Abgründige, das Wasser fließt von oben nach unten durch wiederholte Gefahr. Wer aber die Gefahr bewusst nutzt, mag sich durch Gefahr zu schützen wissen. Türme ein Gebirg und du bist sicher. Kenne den Flusslauf, und er ertränkt deinen Feind.
Das Haftende, das Feuer. So wie das Feuer am Holz haftet, so haften die zur Rechten des Imperators am Imperator. So wie das Feuer das Holz verzehrt, so verzehrt unser Ziel seine Macht.
XVI Wir setzen weise legaten ein, mit denen wir uns zuvor ausführlich beraten haben. Wir setzen tapfere legaten ein, die sich vor unserem prüfenden Blick hervortun wollen. Wir setzen habgierige legaten ein oder solche, die erpressbar sind. Ganz selten nur schicken wir dumme legaten, die uns gehorchen, weil sie die Gefahr nicht kennen.
Bei allen Vorhaben und bei der Auswahl unserer legaten achten wir darauf, fünf große Fehler zu vermeiden: Unbekümmertheit und Feigheit, die zur Vernichtung führen. Empfindliches Ehrgefühl, das empfänglich macht für falsche Scham. Ungezügeltes Temperament, das sich leicht provozieren lässt. Übertriebene Sorge um das Wohl der legaten wie um unser eigenes Wohl.
So wie wir die Fehler bei uns vermeiden, so wollen wir sie bei den anderen aufspüren, fördern und uns zunutze machen.
Die Einwirkung - die Werbung. Ohne gegenseitige Anziehung können wir den Imperator nicht formen noch lenken. Wenn Octavian uns hasst, werden wir ebenso wenig Einfluss haben, wie wenn wir ihn hassen. Unser Einfluss wächst mit der Durchlässigkeit seiner Gegenwehr. Unser Einfluss ist am größten, wenn wir ihm am nächsten sind. Die Gefahr ist, dass dies auch im Umkehrschluss gilt. Hütet euch also, dem ähnlich zu werden, das ihr ändern wollt!
Die Dauer. Über aller Macht steht die erhabene Dauerhaftigkeit des Ziels. Unser Ziel ist die Pax Romana - mit oder ohne Rom. Bedenkt das Paradoxon wohl: mit oder ohne Rom!
XVII Schweige über unsere wahren Pläne und sorge für Geheimhaltung. Verwirre und täusche, wenn nötig, die Unsrigen wie den Gegner. Verteile gelegentlich Belohnung und Strafe unter den legaten ohne erkennbaren Grund. Befiehl das Gegenteil von dem, was lange vorbereitet wurde. Befiehl und sprich durch die Tat, nicht durch Ankündigungen, an denen du dich messen lassen musst. Wenn guter Erfolg winkt, dann lasse dies alle wissen. Sind die Aussichten schlecht, halte das vor den legaten geheim. So werden die legaten dem geringsten deiner Winke willig folgen, so wie das Wachs deines Schreibtäfelchens taktische Notizen aufnimmt.
Der Rückzug. So wie das Wachs vor der Spitze des Griffels zurückweicht, so wie der legat sich von deiner Hand hierhin und dorthin lenken lässt, so folge auch du den Zeichen der Zeit, wenn übermächtige Hindernisse unserem Ziel entgegenstehen. Kämpfe nie, wenn Kampf Untergang bedeutet. Erhalte die Kräfte und Mittel zur Rechten des Imperators für bessere Zeiten. Sei freundlich im Rückzug vor der Macht. Im Rückzug vor dem aufgebrachten Volk sei leutselig und gemessen.
Des Großen Macht. Wenn ihr im Rückzug freundlich und gemessen wart, kommt unweigerlich die Zeit, da euer Feind zugrunde geht. Ihr seid dann immer noch da. Vielleicht in eigener Person - vielleicht ist euer Wille aber auch in Nachfolgern lebendig, während ihr auf euren Gütern wohlverdienten Ruhestand genießt oder in euren Sarkophagen ruht. Solange die zur Rechten des Imerators sich im Zweifel biegen, um nicht gebrochen zu werden, kommt unweigerlich die Zeit, da ihre inneren, versteckten Werte aufblühen und zu mächtiger äußerer Wirksamkeit emporsteigen. Des Großen Macht bricht an. Die Zeit eurer Macht. Nutzt die Macht ohne anmaßend auf sie zu pochen, denn das brächte Unheil. Nur der Ziegenbock verwickelt seine Hörner in der Hecke.
XVIII Triffst du am Ratstisch auf Gegner, so bedarf deine Einflussnahme der Täuschung. Wenn du also fähig bist, dich durchzusetzen, erscheine sanft und zögerlich. Bist du angespannt tätig, erscheine träge. Bist du kurz vor dem Ziel, erscheine verzweifelt. Bist du verzweifelt, strotze vor Selbstsicherheit. Lege für den Gegner Köder aus. Täusche Konfusion vor. Reize cholerische Temperamente, damit sie sich am Ratstisch in Wut und Schande bringen. Reize überhebliche Menschen durch deine vorgetäuschte Schwäche. Wenn deine verschiedenen Gegner sich zu einigen drohen, hindere sie, indem du ihre alten Zwistigkeiten wieder ins Gedächtnis rufst oder die Unvereinbarkeit ihrer Standpunkte betonst, oder durch ein gutes Angebot versuchst, einen oder mehrere aus ihren Reihen heraus zu lösen. Dein Angriff erfolge aus einer unvorhersehbaren Richtung. Dein Standpunkt sei, wo niemand ihn vermutet.
Halte die taktischen Entscheidungen geheim und genieße Sicherheit vor den geschicktesten Spionen und den Intrigen der klügsten Köpfe.
Der Fortschritt. Wenn aber der Imperator euch an seine Seite bittet und auszeichnet vor allen Räten, wenn er denen zu seiner Rechten Macht überträgt, dann ist die Zeit des Fortschritts gekommen. Keine Schwierigkeit steht dann mehr der dauerhaften Pax Romana im Weg - außer vielleicht ein äußerer Feind. Doch innere Klarheit in Rom und gänzlicher Verzicht auf Eifersüchtelei wird jeden Feind vernichten.
Die Verfinsterung des Lichts. Wenn aber der Imperator euch den Mund verbietet und fortweist aus seinem Haus, wenn er euch auf eure Güter verbannt oder sogar nach Pandateria, wird die Zeit schwer. Das Licht, unter den Scheffel gestellt, droht zu verlöschen. Der gemeine Unfug wird übermächtig und setzt sich durch. Beugt dann das Haupt voller Zuversicht. Nach dem Zusammenbruch, der notwendig auf die Überspannung seiner Kräfte folgt, wird der Imperator aus Mattigkeit wieder dem Rat zugänglich. Ein jammernder Fürst ist wahrlich kein schöner Anblick, doch auch kein zu verachtender Vorteil.
XIX Im Rat obsiegt, der weiß, wann er zu reden hat und wann zu schweigen. Im Rat obsiegt, der mit überlegenen, gleichrangigen und unterlegenen Gegnern umzugehen weiß. Im Rat obsiegt die Partei, deren Mitglieder aller Ränge vom gleichen Geist beseelt sind. Im Rat obsiegt der Vorbereitete gegen den Unvorbereiteten.
Im Rat obsiegt, wer dem Gegner ein Schlupfloch offen lässt, durch das er sich ohne Würdeverlust davonstehlen kann. Wenn du dieses Schlupfloch nicht offen lässt, wird der gegnerische Ratsherr schwerlich aufgeben, selbst wenn er längst verloren hat. Er wird bestrebt sein, dir auf jedwede Art zu schaden, um seine unvermeidliche Niederlage hinauszuzögern und sich für den Verlust seiner Würde zu rächen.
Im Rat obsiegt der weise legat, der keine kleinliche Einmischung seiner Oberen zu fürchten hat.
Die Sippe. Ihr mögt, wenn die Verdunklung kommt, auf die Familie des Herrschers vertrauen, oder, um es deutlich zu sagen, auf jene Verwandten des Imperators, die heimlich zu uns halten. Bedenkt jedoch, dass solche Verbündeten überaus kostbar sind. Mutet ihnen nicht zu viel zu, denn der gestrenge Hausvater könnte sie aus Verärgerung, wenn sie ihn mit euren Anliegen nicht zufrieden lassen, ein für alle Mal fortweisen. Damit verliert ihr einen unschätzbaren Vorteil. Opfert niemals die großen langfristigen Vorteile für den Vorteil des Augenblicks, so schwer er wiegen mag. Es wird immer jene zur Rechten des Imperators geben, auch wenn ihr in eurer Zeit das Werk nicht vollendet. Opfert nicht Wichtiges für Unwichtiges! Opfert nicht Werte für Tand. Opfert nicht die Straße für die Häuser.
Der Gegensatz. ( ... )
XX Du musst stets Spione haben, solche, die wissen, für welches Ziel sie arbeiten und solche, die unwissend sind. Erstere behandle wie die legaten. Sie sind im Grunde den legaten gleich, ob sie nun am Ratstisch sitzen oder nur Informationen für dich sammeln oder Nachrichten streuen. Habe Spione im Haus des Imperators wie bei den übrigen Ratsherren. Habe Spione bei den Feinden Roms, um im Rat durch überlegenes Wissen zu verblüffen. Eingeborene Spione sind im feindlichen Gebiet zuhause - oder im Haus deines römischen Ratsgenossen oder des Imperators. Sie sind im weiten Umkreis tätig. Ein Heizersklave mag bemerken, dass sein Herr beim Bad misslaunig war - verachte dieses Wissen nicht und nicht den Überbringer. Seine Nachricht mag dir beim Disput während des Gastmahls nützlich sein!
Innere Spione sind Spione im Verwaltungs- oder besser noch Führungsapparat des Gegners. Ich nenne Familienmitglieder, die Geliebte, die Freunde, gierige Mätressen. Beachte solche, die bei der Beförderung übergangen wurden. Beachte verspottete Höflinge. Beachte eifersüchtige Liebende. Beachte Ehrgeizlinge, die wissen, dass sie nur in der Krise hochkommen. Beachte auch die Ängstlichen, die sich auf die Niederlage der eigenen Partei vorbereiten.
Das Hemmnis. Die ausführlichsten Berechnungen mögen ins Leere gehen, wo wir auf unvorhersehbares Hemmnis treffen. In diesem Fall ist der gerade Weg nie der kürzeste, ja es wäre starrsinnig, auf dem einmal eingeschlagenen Pfad voranzuschreiten. Dies ist einer der Fälle, wo übertriebene Ehrenhaftigkeit gefährlich ist. Wir sind dann zwar im Recht, und unser Stolz gebietet, auf dem Pfad tapfer voranzuschreiten. Wir begeben uns zwar unseres Rechts und machen uns zum Gespött, sobald wir von diesem Pfad abweichen. Doch weder Ehre noch Spott sei euer Ziel. Das Ziel sei euer Ziel.
Die Befreiung. Wenn sich die Spannungen jedoch lösen und das Hemmnis verschwindet, dann macht nicht viele Worte. Weise ist es dann, nicht zu rechten mit dem bisherigen Gegner. Ihr seid befreit vom Hemmnis. Nutzt die Lage. Eurem Gegner widmet euch nur, wenn er euch wieder frech den Weg verstellt.
XXI Gut ist es, wenn der Imperator und seine Ratsherren dich so sehr für einen der ihren halten, dass sie dir keine Spione ins Haus schicken. Du kannst dir dessen aber nie gewiss sein. Deshalb halte deine Pläne geheim.
Findest du aber heraus, dass du ausspioniert wirst, so kannst du auf mehrere Arten verfahren. Du kannst den feindlichen Spion an seinem Platz belassen und ihm nur jene Informationen zuspielen, die du verbreitet haben willst. Der gegnerische Spion kann einem bedauerlichen Unglück zum Opfer fallen. Willst du den gegnerischen Ratsherrn erschrecken und deine Macht herzeigen, so kannst du seinen enttarnten Spion rüde bestrafen oder sogar offen töten.
Am vorteilhaftesten jedoch ist es, Spione im eigenen Haus zum Überlaufen zu bewegen. Du kannst sie durch Angst zum Überlaufen bewegen, durch Vorteile jeglicher Art oder durch Überzeugung. Letzterer Fall wird wohl der seltenste sein. Übergelaufene Spione können falsche Informationen über dich verbreiten und zugleich richtige Informationen über ihren ursprünglichen Auftraggeber verschaffen, solange er ihnen vertraut. Übergelaufene Spione erleichtern dir vor allem die Auswahl jener, die du als eingeborene oder innere Spione anwirbst.
Die Minderung. ( ... )
Die Mehrung. ( ... )
XXII Willst du im Rat nicht streiten, obwohl ein Streitfall anhängt, so verhalte dich seltsam und unerklärlich. Man wird dann nicht mit dir streiten, sondern dich zunächst beobachten, um herauszufinden, was du vorhast.
Ein Feldherr, dessen fliehendes Heer von einem mächtigen Feind verfolgt wurde, ließ neben der Heerstraße einen Baum entrinden und in den nackten Stamm folgende Worte ritzen: Unter diesem Baum wirst du sterben. Dann stellte er Bogenschützen und balearische Schleuderer auf und erwartete den Einbruch der Nacht.
Als der gegnerische Feldherr in der Nacht zu dem Baum kam, ließ er Fackeln entzünden, um zu lesen, was auf dem Baum geschrieben stand, und verschied so unverzüglich, tödlich getroffen von zahllosen Pfeilen und den Bleigeschossen der Insulaner.
Der Durchbruch - die Entschlossenheit. Zeigten wir uns äußerlich stark bei unreifen Verhältnissen, so würden wir damit nur vorzeitigen Widerstand provozieren. Nein! Wir legen uns zu Tisch mit dem Übel. Man wird uns deshalb verkennen. Doch wir liegen zu Tisch, und sein Pokal befindet sich in Reichweite unserer Hand, nachdem der Vorkoster gekostet hat, während die Leibgarden fern bei der Tür stehen.
Das Entgegenkommen. ( ... )
XXIII Es muss nicht alles aus der Mitte gefügt sein. Die Mitte sei jedoch der verbindende Gedanke. Für die Konstruktion des Imperiums aus seinen Provinzen genügt die zentrale Idee, die Bindungskraft entfaltet. Sie muss die Klugen locken, die Dummen verführen und die Böswilligen schrecken. Den Fähigen jedweder Herkunft eröffnet das Imperium Betätigungsfelder in Verwaltung und Wirtschaft oder in Kunst und Wissenschaft. Für die Unfähigen stellt es Brot und Spiele zur Verfügung. Störenfrieden zeigt das Imperium sein Schwert.
So halten sie zusammen: Baetica, Hispania, Lusitania, Gallia Lugudunensis, Belgica, Aquitania, Gallia Narbonensis, Alpes Maritimae, Alpes Cottiae, Alpes Graiae, Alpes Poeninae, Raetia, Gallia Transpadana, Liguria, Venetia et Histria, Gallia Cispadana, Umbria, Picenum, Etruria, Latium et Campania, Samnium, Apulia, Calabria, Bruttii et Lucania, Sicilia, Corsica, Sardinia, Melita, Noricum, Illyricum, Dalmatia, Dardania, Moesia, Thracia, Macedonia, Epirus, Thessalia, Achaia, Creta, Cyprus, Bithynia et Pontus, Mysia, Asia, Lydia, Caria, Lycia et Pamphylia, Galatia, Lycaonia, Cilicia, Syria, Phonicia, Iudaea, Aegyptus, Cyrene, Cyrenaica, Pentapolis, Libya, Marmarica, Africa Proconsularis, Mauretania Caesarensis.
Diese formen den Orbis. Manche von ihnen sind unverzichtbar. Andere mögen besser unter Klientelfürsten stehen. Wieder andere sind vernachlässigenswert für den Weisen der Staatskunst. Wer aber den Orbis ausdehnen will über diese hinaus macht sich uns zum Feind.
Die Sammlung ist oft schon weit fortgeschritten, bevor man selber hinzustößt. Das trifft auf Landstriche zu, die dem Imperium noch einzugliedern sind, wie auf jene Menschen, die denen zur Rechten des Imperators angehören möchten. Länder wie Menschen haben es dabei anfangs schwer, denn sie finden sich in der unbequemen Position von Außenseitern wieder, denen viel zugemutet wird. Wer aber tapfer aushält in dieser Lage, dem wird am Ende volle Zugehörigkeit nicht vorenthalten.
Das Empordringen bedarf der Wurzeln. Nichts auf der Welt, das stolz und bekrönt steht, steht ohne verzweigte Wurzel. So ist auch der Orbis, so ist auch das Imperium weniger eine Krone, die den Provinzen übergestülpt wird, als vielmehr ein Stamm, der aus seinen Wurzeln hervorgeht. Die ersten Wurzeln für Roms Wachstum waren die frühen Bundesgenossen.
XXIV Durch die Neuordnung Octavians gehören Apulia und Calabria zur zweiten Region, während Samnium durch die discriptio Italiae auf die zweite und vierte Region aufgeteilt wird. Bruttii und Lucania gehören der dritten Region an, und es ist dringend erforderlich, die dortigen Böden, die seit den punischen Kriegen ausgelaugt sind von Latifundienwirtschaft, aufzubessern und anders zu bewirtschaften, am besten in kleinbäuerlichen Betrieben, wozu aber die Gebiete ihren jetzigen senatorischen Eigentümern entzogen werden müssten. Dies allerdings dürfte politischen Widerstand im Senat hervorrufen. Umbria liefert zuverlässig Wein, Rinder und Schafe, Picenum und Etruria sind wohlgefügt. Latium et Campania desgleichen und wir sollten uns reiflich überlegen, ob wir tatsächlich in seiner Hauptstadt Neapel die griechische Amtssprache durch Latein ersetzen müssen. Die Aemilia, früher Gallien diesseits des Flusses Po, rühmt sich heute zurecht als Gallia togata, da die lex Roscia allen Bewohnern das römische Bürgerrecht verliehen hat. Sie bildet die Region Acht, das transpadanische Gallien, wo ebenfalls das Provinzialregime abgeschafft ist. Liguria bildet die neunte Region, während Venetia et Histria Region zehn sind.
Rom aber ist die Mitte des Orbis. Hier bauten wir das Pantheon, allen Göttern geweiht, damit ein jeder Bürger Roms und Provinziale hier zu seinem Gott spreche. Und wenn wir den Spott hören, des Fußbodens wegen, der dem Pflaster des umgebenden Platz unterschiedslos gleicht, so antworten wir: Wohlan, unterschiedslos mag ein jeder von draußen nach drinnen treten in das Pantheon. Unser Bau benötigt zu seiner Würde keine hohe Schwelle und keinen Marmor für die Füße. Dieser Bau hat eine Kuppel, die sich in den Himmel öffnet. Nicht am Boden soll das Auge dessen kleben, der hier steht.
Noch mehr Bauholz allerdings als für das Pantheon brauchten wir für die Thermen Agrippas und es wurde ausnahmslos von Corsica nach Rom verschifft, so dass wir von der Mitte des Orbis durch den Himmel, dessen Gestirne wir zum Navigieren brauchen, zu den Inseln reisen in Gedanken.
Die Bedrängnis - Erschöpfung tritt ein, wenn wir feindliches Binnenland lange halten. Das verschlingt Legionen und Hilfstruppen, kostet mehr Blut als jede andere Aufgabe des Imperators und derer zu seiner Rechten - mit Ausnahme vielleicht der unsinnigen und schlecht vorbereiteten Eroberungsfeldzüge, wie beispielsweise Crassus einen gegen die Parther unternahm. Die Erschöpfung kommt in vielerlei Gestalt, immer wenn wir uns mehr zumuten als wir leisten können. Deshalb hat das Urteil der Schafgarbenstängel hier besonders viele Aspekte.
Man ist bedrängt unter einem kahlen Baum und gerät in ein finsteres Tal. Drei Jahre lang sieht man nichts.
Man ist bedrängt bei Wein und Speisen. Der Fürst mit den scharlachroten Kniebinden kommt und sucht vergebens nach Einem zu seiner Rechten.
Man lässt sich bedrängen durch Stein und stützt sich auf Dornen und Disteln.
Man ist bedrängt von den Ministern mit ihren purpurnen Kniebinden.
Versteift euch hier nicht auf die Eigentümlichkeiten in der Sprache der Gelben Pagode. Die Weisheit des Orakels wirkt bei der Ordnung der Gedanken aller Menschen in West und Ost, unangesehen ihrer Namen und Farben, wenn sie nur am Verdorbenen arbeiten.
Der Brunnen ist nicht die See, unser Meer. Aber der Brunnen birgt Wasser und er ändert sich nie, so wenig wie unser Meer sich ändert, mögen wir es von Rom aus beherrschen oder aus Alexandria, mögen die Imperatoren sich Capri zu ihrem Sitz wählen oder das früher verhasste Carthago. So wenig, wie sich die Form des Brunnens ändert, wenn ein Reich die Hauptstadt wechselt, so wenig ändert sich unser Meer. Im Idealbild ist jeder Punkt des Orbis gleichwertig, sofern er nur Verbindung hat zum Meer. Bei geschlossenem Orbis ist das Meer hauptsächliche Quelle römischer Macht. Das Binnenland wird zweitrangig. Verliert eine Provinz - und lacht. Verliert das Meer - und stürzt euch in euer eigenes Schwert! Actium war mein alles entscheidende Sieg.
XXV Doch schon die Seesiege bei Mylae und Naulochus waren bedeutsame Etappen auf unserem Weg zur Befriedung eines vom Bürgerkrieg zerrütteten Reichs. Für mich waren sie ein besonderer Augenöffner, lernte ich doch den Wert der ubischen Leibgarde schätzen. Doch gewiss nicht aus diesem Grund hat Octavian über Sicilia entschieden, dass es eine senatorische Provinz zweiten Ranges wird unter einem praetorischen Proconsul. Corsica stellte, ich sagte es, Bauholz für meine Thermen und ist senatorische Provinz, ebenso wie Sardinia, das mit seinem widerspenstigen Volk ganz überflüssig ist für unser maritimes Imperium. Nicht einmal den Ausbau der Küstenstraße halte ich für erforderlich. Fünf Häfen an Punkten, die von Land her nicht zu nehmen und von der See her leicht zu versorgen sind - mehr braucht Rom nicht auf Sardinia. Wohingegen die drei kleinen Eilande Melitas aus der Jurisdiktion Sicilias entlassen werden sollten, um einen zentralen Flottenstützpunkt unter militärischer Verwaltung zu bilden. Gewiss ist hier das Problem der Wasserversorgung zu berücksichtigen, doch man kann Zisternen bauen. Es wäre kein Schade, dass die Werften der Flotte von jenseits des Meeres mit Tuch, Hanf, den Hölzern, dem Eisen und Blei und was sonst noch zum Schiffsbau erforderlich ist versorgt werden müssten. Nein - gegenseitige Abhängigkeit von Militär und Wirtschaft, von Provinzen und Seereich fördern ja gerade den Zusammenhalt des Imperiums! Doch die Versorgung mit Proviant würde zum ernsten Problem und angesichts der Mannschaftszahlen, von denen wir hier reden, vielleicht unlösbar. Dies muss von Spezialisten nachgerechnet werden.
Das senatorische Creta liefert uns neben Getreide seine berühmten Rosinen, sowie Purpur und Wein. Cyprus jedoch, ist von zentraler Bedeutung für uns. Sein Kupfer, Asbest, Salz und Öl, mehr noch seine ausgezeichneten Schiffshölzer und natürlich die Werften lassen es angeraten sein, die Insel wirtschaftlich zu erschließen und dienstbar zu machen nicht für Senat oder Imperator - vielmehr für jene zu seiner Rechten, für uns selbst.
Obgleich die Bewohner der Baleares sommers nackend gehen, produzieren sie Wein und Weizen von hoher Güte. Mehr noch sind ihre höchst treffsicheren Schleuderer hervorzuheben, die im Geplänkel Leichtbewaffneter zu Lande ebenso ihren Platz haben, wie auf den Schiffsplanken unserer Flotte.
Schützt Rom und die Pax Romana. Bleibt zur Rechten des Imperators. Dies sind die ersten beiden Gebote. Aber das dritte schon lautet: Haltet die Seewege offen! Aus diesem Gebot aber folgt: Duldet keine zweite Flotte in unserem Meer, und, sofern möglich, im Pontus Euxinus sowie im westlichen Ozean.
Und noch einmal: Haltet die Seewege offen!
Von Gades nach Ostia nicht mehr als neun Tage. Von Tarraco nach Ostia sechs Tage. Von Narbo nach Ostia drei Tage. Von Narbo nach Carthago fünf Tage. Von Carthago nach Ostia höchstens fünf Tage. Von Massilia nach Alexandria dreißig Tage. Von Ostia nach Alexandria zehn bis zwanzig Tage, desgleichen bis Caesarea. Von Alexandria nach Cyrene sechs Tage. Von Alexandria nach Antiochia zehn Tage. Von Alexandria nach Ephesus fünf Tage. Von Caesarea bis Byzantium höchstens zwanzig Tage. Von Rhodus bis Panticapenum am nördlichen Gestade des Pontus Euxinus zwölf Tage. Dies sei die Regel. Alles, was mehr ist, gelte als Übel.
Die Umwälzung der Republik und unserer staatlichen Einrichtungen, wie sie in den Tagen des vergöttlichten Caesar begann und durch mich und Octavian vorangetrieben wurde, gleicht der Mauser eines Vogels. Für den Vogel ist diese Mauser eine schwere, anstrengende Zeit. Ebenso war die Zeit der Bürgerkriege, die unter Caesar und Octavian beendet wurde, eine schwere Zeit für Rom. Nicht leichtfertig sollten wir erneut solche Zeiten heraufbeschwören. Nicht leichtfertig sollten wir Feldherren zu Lande mit einer Macht ausstatten, die es ihnen erlaubt, als Meuterer gleich das Imperium zu erschüttern. Die Mauser Roms, sein neuerliches Flüggewerden geht folglich damit einher, dass nicht länger die Macht zu Lande unsere wesentliche Stütze ist. Die Macht zur See muss Roms vornehmste Macht werden. Das ist, weil Flotten keinen Bürgerkrieg beginnen, besser für die innere Festigkeit des Staates. Das ist, weil die Beweglichkeit von Truppen über Seewege die erforderlichen Mannschaftszahlen eines stehenden Heeres reduziert, besser für das Steuerwesen und die Rekrutierung. Das ist besser für die Sicherheit des Meeres und der angrenzenden Länder. Das ist nicht zuletzt besser für uns zur Rechten des Imperators. Denn auch darauf soll geachtet werden, dass wir den Imperator überdauern und die Zeiten nach dem Imperator. Der Imperator ist sterblich. Die zur Rechten des Imperators sind ewig - wie Rom.
Über den Tiegel wird geurteilt: Der Tiegel bricht die Beine. Das Mahl des Fürsten wird verschüttet und die Gestalt wird befleckt. Hierüber ist zu sagen - und dies gilt vornehmlich für jene zur Rechten des Imperators: Schwacher Charakter bei geehrter Stellung, geringes Wissen und große Pläne, kleine Kraft und schwere Verantwortung werden nur selten dem Unheil entgehen.
XXVI Doch nicht allein Seewege gilt es zu beherrschen, sondern auch die wichtigen Verbindungslinien zu Land. Das können Straßen sein oder Flussläufe. Sie können Punkte zu Land miteinander verbinden. Oder sie können Orte im Land mit Häfen an der Küste verbinden. Ja sie können sogar eine alternative Verbindung herstellen zwischen zwei Häfen an der Küste. Das Land dazwischen vernachlässigt, solange es euch nicht gefährlich werden kann. Die Sehnen und Gelenke aber sichert mit Macht. So wie der Imperator diese Wege nutzt für seine Beamten und Roms Legionen, so nutzt diese Wege für eure legaten und für den Handel und Wandel dessen ihr bedürft. Steter Grundsatz eurer quaestoren sei, dass fünf Prozent vom Garum besser sind als fünfzig Prozent vom Weihrauch.
Seid euch auch nicht zu schade für den Bau des Amphitheaters oder die Hege der wilden Tiere. Importiert Bären aus Germanien und exportiert Lampenöl zu den Barbaren. Unter uns zur Rechten des Imperators soll keine Rolle spielen, ob einer senatorischen Standes ist oder ritterlichen Standes oder plebejischer oder gar freigelassener Abkunft. Der Senator soll sich nicht zu gut sein, Geschäfte für uns zu machen - er achte nur darauf, dass der Censor ihm nie auf die Schliche kommt. Und der Freigelassene soll unter uns nicht gering geschätzt werden, wenn er strategisches Geschick zeigt - er achte nur auf die Umgangsformen, die angemessen sind zur Rechten des Imperators. Zur Rechten des Imperators ernähre der eine den anderen und denke der andere für den einen mit.
Das Erregende, das Erschüttern, der Donner ( ... )
Das Stillehalten, der Berg ( ... )
XXVII Die senatorische Baetica wird vom Baetis erschlossen, auch Tartassos genannt, über dessen vier Mündungsarme Seeschiffe vordringen können bis Hispalis und Ilipa. Dessen seid eingedenk, wenn ihr wählt, welche der Säulen des Heracles Rom beherrschen soll, um die Meerenge zu beherrschen. Eines der Ufer bleibt unverzichtbar. Das andere mag zur Not geopfert werden.
Verabscheuenswürdig ist der faule Sprachgebrauch, der die kaiserliche Provinz Hispania als Spania verballhornt, nur um die einzige Silbe zu sparen. Doch ist das Menschengeschlecht wohl so beschaffen, dass es bei der Unart bleibt. Hispania wurde schon vor der Zeit des Octavian um einige städtische Kolonien bereichert, und auch Octavian hat an dieser Tradition festgehalten, schon während er zwei Jahre lang von Tarraco aus den cantabrischen Krieg leitete, den dann ich beenden konnte. Die Cantabri, ein wildes, tapferes und besonders unkultiviertes Volk, gliedern sich in die Stämme Gigurri, die Paesici, Saeleni, Superatii, Amaci, Tiburi, Camarci und Penii. Bei ihnen war ernstlich zu überlegen, ob es sich lohnt, derart nutzloses Gebiet zu unterwerfen, mit der Aussicht, auch noch für seinen Erhalt stets neuen Krieg zu führen. Andererseits wären die Cantabri stets ein Stachel im Fleisch der Hispania geblieben, die wir ja durchaus schätzen für Gold, Blei, Zinnober, Eisen, Schweine, Fischkonserven, Kork, Quitten, Wein, Wolle Flachs, Silber, und Zinn. Ferner benötigen wir die hispanische Landbrücke, um ungestörte Verbindung zur kaiserlichen Provinz Lusitania zu halten, deren feurige Rosse uns dienen ebenso wie das metallum Vipascense, das große fiskalische Silber- und Kupferbergwerk. Verwaltet werden die beiden Provinzen von propraetorischen legati Augusti. Zuletzt sei noch erwähnt, dass die Cantabrer unterworfen werden mussten, da sie ansonsten die Seewege über das Mare Cantabricum und an der Westküste Galliens durch ihrer Piraterie gestört hätten.
Die Gallia Narbonensis, heute unter senatorischer Verwaltung, wurde von den Consuln Quintus Fabius Maximus und Cnaeus Domitius Ahenobarbus begründet und liefert Öl, Feigen sowie Wein.
Alle vier Alpes werden nach dem Vorbild der Maritimae bald kaiserliche Provinzen sein, die Cottiae, Graiae und Poeninae. Berühmt sind die Weine der Südalpentäler, ergiebig sind die Eisenberge, die Brüche für Marmor und Lavezstein, die Ausbeuten an Honig, Wachs, Pech, Heilkräutern und Kristallen. Es ist evident, dass wir die Alpen beherrschen und zivilisieren müssen und dass sie uns als Bollwerk Italiens dienen, während wir die abgelegenen Täler am Leben eines weiten, reichen Imperiums teilhaben lassen. Haltet die Pässe!
Die tres Galliae sind praetorische Provinzen. Sie liefern Käse, Schinken, Bier, Wolle, Leinen, Keramik, Metalle und die Erzeugnisse der Metallindustrie. Die Aquitania wurde zuerst von Pompeius Magnus unterworfen, dann von Crassus und schließlich durch mich. Die Gallia Lugudunensis beherbergt den Verwaltungsmittelpunkt der tres Galliae. Dort errichten wir die Ara Romae et Augusti, bei der jährlich im Concilium Galliarum die Vertreter der sechzig Civitates zusammentreten und opfern.
Gallia Belgica ist aber, neben Aegyptus, die zurzeit schwierigste und komplizierteste Provinz des Reichs. Sie grenzt im Norden an den Oceanus Britannicus, im Osten jedoch, mit dem Rhein, an die Germania Magna. Der vergöttlichte Caesar zählte zu den Belgern die Suessiones, Atrebates, Ambiani, Remi, Bellovaci, Nervii, Morini, Menapii, Veliocasses, Viromandui, Aduatuci, die besonders romfreundlichen Treveri, Condrusi, Segni und Eburones, in deren aufgelassenen Ländereien ich als Vertreter Octavians die rechtsrheinische Civitas der Ubier umsiedelte, zur Bewachung des Flusses, der auf ewig Roms Grenze sei. Dies ist unser Auftrag an jene zur Rechten des Imperators, die nach uns kommen: Der Rhein ist und bleibt Roms Grenze und mit allen Mitteln ist zu hintertreiben jede Politik des Imperators, die auf eine dauernde Eingliederung der Germania Magna abzielt. Mit dem großen Germanien treibt Handel. Jagd dort wilde Tiere und werbt kleine Hilfstruppen, um sie im Orient einzusetzen. Je weniger von ihnen heimkehren mit ihrem neuerworbenen Wissen über Roms Strategie und Taktik, desto besser. Dringen die Germanen über den Rhein, dann treibt sie zu Paaren und verfolgt sie bis in ihre Dörfer. Legt in Schutt und Asche das Land, aus dem Rom angegriffen wurde. Aber besetzt dieses Land nie! Der Vorteil der verkürzten Grenzlinie zwischen Elbe und Donauknick wird doppelt und dreifach zunichte gemacht durch die Schwierigkeiten der Besatzung derartiger Völker in ihrer wilden Landschaft. Hier kehrt niemals Vertrauen ein. Verlasst euch deshalb einzig auf den Terror der Abschreckung. Sollten jemals die Germanen ihre Übergriffe einstellen, dann bietet ihnen entlang dem Rhein alle Vorteile regen Handels, der sie vielleicht im Fortgang der Jahrhunderte zur römischen Lebensart bekehrt.
Schon vor den Zeiten des vergöttlichten Caesar drangen belgische Stämme über den Kanal nach Britannien ein - und manche kamen seitdem auch zurück. Da wir Britannien nicht besetzen wollen, stellt sich die Frage, ob wir Roms Grenzen restlos gegen die Inseln abschotten können. Dies ist zu verneinen, unter anderem wegen der Belger, die von und nach ihren alten Heimstätten Sippenbande pflegen, wie auch Handel treiben. Verfahrt deshalb an den Nordküsten Galliens so wie längs des Rhein. Baut eine Kette aus Flottenkastellen, und rüstet sie mit Schiffen aus, auf denen Roms Soldaten die Südküsten Britanniens verheeren sollen, falls Angriffe von dort erfolgen. Zugleich aber soll mit den Schiffen Handel von und nach Britannien getrieben werden. Dies aber befehle ich euch: duldet keine britischen Schiffe, sperrt die Briten ein auf ihrer Insel, sonst bleiben die Küsten nicht sicher und eines Tages wird es notwendig, auch diese großen, nutzlosen Inseln militärisch zu erobern und besetzen.
Die Entwicklung, allmählicher Fortschritt. Das Mädchen heiratet. Triumph! Denn fördernd ist Beharrlichkeit.
Das heiratende Mädchen aus dem Orakel ist Julia, meine geliebte Gemahlin, des Octavian Tochter. Seit ich also der Dynastie des julischen Hauses verwandt bin und zum Nachfolger Octavians erkoren, haben jene zur Rechten des Imperators die Aussicht, eines Tages selber das Imperium zu ergreifen, sei es in meiner Person, sei es in Gestalt meiner Nachkommen.
Sollte aus denen zur Rechten eine neue Dynastie werden, so ist es gut, solange ich an ihrer Spitze stehe. Stehe ich nicht an ihrer Spitze so ist es gut, wenn Julia viel Einfluss auf die Geschicke des Reiches bekommt, denn sie ist eine von uns. Sollten weder ich noch Julia die Dynastie nach Octavian führen, und sollten dennoch minderjährige Kinder bleiben, so erzieht sie in unserem Sinne. Doch selbst, wenn sie Imperatoren werden in ferner Zukunft, so unterwerft euch ihnen nur, sofern sie würdig sind. Ansonsten bleibt jene zur Rechten des Imperators, so wie wir es bis heute halten.
Alles wäre gut, wäre ich sicher, Octavian zu überleben. Doch dessen, so sagt mir mein Körper, können wir nicht gewiss sein.
Sterbe ich vor Octavian, dann ist das Imperium wichtiger als meine Familie.
Steht ihr vor der Wahl, dann sind jene zur Rechten des Imperators wichtiger als das Imperium in seiner jetzigen Gestalt. Auch auf dem Gebiet Roms mögen Reiche begründet werden nach Roms Untergang. Auch dann muss es jene geben zur Rechten des Imperators. Der Gedanke des Orbis, dessen Träger wir sind, ihn gilt es zu erhalten, koste es, was es wolle. Dies ist unsere Bestimmung.
XXVIII Wandeln wir aber den Plan der Grenzverkürzung ab, der jene umtreibt, die die Rhein-Elb-Linie gewinnen wollen, dann könnten wir eines Tages im Knick zwischen Donau und Rhein einen Limes erbauen. Zur Hälfte würde er von der senatorischen Provinz Raetia betrieben, zur anderen Hälfte von der Provinz Belgica, dort, wo sie an den Oberrhein grenzt. Man könnte sogar so weit gehen, von der Belgica aus Propagandagründen Gebiete abzutrennen, die man dann in Germania umbenennt. Dies wäre der Kompromiss zwischen der Maximalposition Octavians und unserer. Man könnte dann dem Volk erklären: Seht her, Germanien ist erobert. Wir sichern es durch einen obergermanischen Limes, der verbunden ist mit einem raetische Limes.
Die senatorische Raetia und das kaiserliche Noricum, das man noch unterteilen sollte in Noricum ripense und Noricum mediterraneum, fallen unter die Zollverwaltung der kaiserlichen Provinz Illyricum mit den ertragreichen Marmorbrüchen von Tragurium. Das gleiche gilt für Pannonien, sobald wir es erobert haben.
Hier bin ich entschieden Verfechter des Eroberungskriegs, möge er auch lange währen und verlustreich sein. Die Donaugrenze sichert das Imperium für Jahrhunderte. Sie gilt es auf ganzer Länge zu erringen und zu erhalten.
Das kaiserliche Dalmatien, das Octavian selbst einst vollends unterwarf, indem er drei Abteilungen der dalmatischen Eidgenossenschaft schlug und siebenhundert Knaben als Geiseln nahm, ist meine Heimat. Es unterliegt zurzeit einer beschwerlichen Steuerlast und brutaler Truppenaushebung, die wir auf Dauer nicht beibehalten können, wollen wir die Menschen für uns gewinnen. Dennoch brauchen wir zunächst große Mittel in diesem Bereitstellungsraum für den pannonischen Krieg, und es gilt, die Festungskette mit den Legionslagern Burnum und Tilurium zu vollenden, wie auch die große Küstenstraße von Iadera nach Narona und Scodra, sowie die Binnenlandroute von Tersatico nach Salona, dem Sitz unserer Finanzverwaltung.
Nebenbei erlaubt einem, der von jedem Wein der Welt in Maßen gekostet hat, eine persönliche Bitte: Solltet ihr je anstoßen auf Agrippas Wohl, so tut dies nicht mit Rebsaft, sondern mit dalmatischem Sabaium, dem höchst schmackhaften Trunk, der meine Amme nährte.
Die äußerst fruchtbare kaiserliche Moesia, zurecht als horreum Cereris gerühmt, hat ähnliche Probleme wie Dalmatien, was Steuerlasten, Aushebung und Einquartierung angeht. Dort gilt es, unseren Druck zu lockern, sonst müssen wir mit Aufständen rechnen, sobald der pannonische Krieg in seine kritische Phase tritt. Den Statthaltern Moesiens aber obliegt die Überwachung des Schwarzen Meers - eine Aufgabe, die man ebenso gut von den asiatischen Gestaden des Pontus Euxinus her bewältigen könnte. Ich empfehle aber, dies in moesischer Zuständigkeit zu belassen, denn die moesischen Häfen können wir, im Falle einer Rebellion, ebenso auf der Land- wie auf der Seeroute angreifen, oder, je nachdem wie es dann erforderlich sein mag, auch versorgen.
Ebenso nachdrücklich, wie ich gegen jede weitere germanische Expansion bin, bin ich dafür, dass das Gebiet der Dardaner erobert und Moesien angegliedert wird. Die Menschen dort heißen zwar schmutzige Dardaner, doch sind sie nicht schmutzig, weil sie Räuber sind, sondern weil sie tief in ihren Gruben Eisenerz, Blei und Silber schürfen.
Die Thracia gilt es noch völlig einzugliedern, woraufhin sich unzweifelhaft zunächst eine kaiserliche Provinz wird. Die anderen Provinzen jener Weltgegend hingegen sind ausnahmslos senatorisch, da sie sich einer solchen Sicherheit nach innen wie außen erfreuen, dass sie besonderer Aufsicht durch den Imperator nicht mehr bedürfen: Epirus und Thessalia, Macedonia und Achaia, das vor Octavian zur Macedonia gehört hat. Nunmehr jedoch ist Achaia einem durch Los bestimmten proconsul praetorischen Ranges unterstellt, dem ein legatus pro praetore und ein quaestor bei der Verwaltung zur Hand gehen. Kaiserliche Interessen werden durch mehrere procuratores wahrgenommen, während die Oberaufsicht über Griechenlands stolze freie Städte den correctores obliegt. So mag es sein.
Die Fülle, die das Imperium in seinen Grenzen vereint, ist vielfältiger Natur. Ich erwähne die Fülle an Menschen - wir haben bereits einmal mehr als vier Millionen Römische Bürger gezählt und werden eine Volkszählung über das gesamte Imperium durchführen. Ich nenne die Fülle der Waren, die Fülle an Sprachen und Landschaften sowie die Fülle der Gedanken und Götter. Auch die Fülle der Bedürfnisse und Nöte vergesse ich nicht. Seid nicht traurig angesichts dieser Fülle. Bangt nicht um unsere Fülle, denn seht, wir sind wie die Sonne am Mittag. Eine solche Höhe kann nicht bleiben, währt nicht ewig, denn so ist Fortunas Rad nicht beschaffen.
Der Wanderer hat keine feste Stätte, denn seine Heimat ist die Straße. So haftet auch ihr nicht an Rom, vielmehr zur Rechten des Imperators, wo immer er anzutreffen ist und solange er dem Orbis dient.
XXIX ( ... )
Das Sanfte, das Eindringliche, der Wind. Der Wind ist eindringlich, weil er unaufhörlich weht. So wirkt auch ihr unaufhörlich, bis an das Ende des Imperiums und über dieses hinaus. Denn auch der Orbis ist ewig, es sei denn, eines Tages stürzen die Götter den Bogen der Länder rings um das Mittelmeer um, so dass Wasser und Land sich vermischen. Solange dies nicht geschieht, erschafft ihr von Rom aus den Orbis, oder, nach Roms Sturz, aus dem Orbis heraus ein neues Rom. Beides sei euch gleich teuer.
Das Heitere hat Gelingen, ich kann es nicht oft genug wiederholen. Der Rebstock des Centurios mag die Soldaten zur Schlacht prügeln - wilder und tapferer werden sie für euch kämpfen, wenn sie euch lieben und treu sind. Durch die Macht der Legionen, durch die Zahl der Sklaven oder das Gewicht des Goldes, durch drakonisches Gesetz und harte Unterdrückung, ja durch den Terror zielloser Gewalt mögt ihr über kurz oder lang Erfolge erzielen.
Dauer jedoch erreicht keins dieser Mittel. Dauer gewinnt ihr durch wohldosierte Milde, die Vertrauen schafft. Dauer gewinnt ihr durch den gemeinsamen Vorteil Roms und des Orbis, sowie der einzelnen Glieder des Orbis gegeneinander.
XXX Über Aegyptus entbrannte der Streit zwischen Octavian und Agrippa. Beginnen wir also den Text dieser Ziffer gegenüber der Baetica, bei der zweiten Säule des Heracles. Nachdem König Bogus sich mit Antonius verbündet hatte, vernichtete ich seine Flotte bei Methone, wo er fiel. Octavian erkannte den zweiten Iuba als vorläufigen König der Mauretania an, gründete aber in der nachmals kaiserlichen Provinz gleichwohl eine Reihe von Kolonien zu ihrer Befestigung, wie Igilgili, Saldae, Rusacus, Rusguniae, Gunugu, Cartennae, Culil, Tupusuptu, Aquae Calidae, Babaa und Banase. Dennoch werden wir nicht um den Bau weiterer Kastelle herumkommen, so wie wir auch in der senatorischen Provinz Numidia einen Limes bauen müssen, der das alte Africa beschirmt, denn die Fossa Regia, unsere Grenze zum numidischen Königreich, gilt unseren Agenten und Ingenieuren nicht länger als sicher.
Diese Provinzen sind, anders als das proconslarische Africa, zur Not verzichtbar. Africa Proconsularis hingegen, entstanden aus der Zusammenlegung der um Carthago gelegenen provincia Africa mit den von König Iuba eroberten numidischen Gebieten, ist unbedingt zu halten. Dort erwirtschaftet man nicht nur Marmor und Feigen, Salz, Purpur, Teppiche, Öl und Getreide, sondern hierher strömen auch das Gold und das Elfenbein Africas in die Lagerhäuser unserer Häfen, nicht zu vergessen das wilde Getier für die Spiele.
Marmarica, die wir als unsicheren Besitz verbuchen, kann mit ebenso viel Recht zur Provinz Cyrenaica gezählt werden, wie zur senatorischen Libya. Hier werden gute Söldner geworben. Hier müssen wir jedoch stets ein wachsames Auge haben auf Gaetuler, Garamanten und Musulamer. Auch die Pentapolis mit Berenice, Arsinoe, Ptolemais, Cyrene und Apollonia zählen wir zur Libya oder wahlweise zur Cyrene oder Cyrenaica, woran ihr seht, wie unklar die Grenzen westlich Ägyptens verlaufen.
Ägypten ist unter seinem praefecten persönlicher Besitz des Imperators. Was uns als direkten Beherrschern des Landes misslingt, nämlich griechische und ägyptische Oberschichten zu verschmelzen, könnten wir leicht zu unserem Vorteil nutzen, würden wir nur dazu übergehen, Aegyptus in Klientelstaaten zu zerschlagen. Allenfalls könnte man Alexandria als augustäische Kolonie behalten.
Natürlich liefert das Land am Nil uns Getreide zur direkten Versorgung Roms. Es liefert Drogen, Glas, Metallwaren, Papyrus und Textilien. Es liefert Gold und seine Lager stapeln Seide, Farben, Perlen, Gewürze, Weihrauch, Baumwolle, Elfenbein und wilde Tiere vor ihrer Verschiffung ins Imperium, all dies ist mir bewusst. Doch leicht könnten wir alle Schätze des Landes verwerten, ohne es besetzt zu halten. Wie so oft würde es genügen, seine Gelenke und Sehnen militärisch zu sichern. Natürlich ist mir auch bewusst, dass das Land schon zu Zeiten Cleopatras innerlich zerfiel. Aber warum soll Rom sich diese Bürde aufladen? Warum soll Rom ausgleichen zwischen einer arroganten Priesterschaft, die Hierogloyphen als Geheimschrift im Widerstand gegen Rom am Leben erhält, zwischen regsamen Griechen, die seit Alexanders Zeiten vergeblich versuchen, das Reich am Nil zu hellenisieren und zahlreichen Juden, die vor allem mit den Griechen im dauernden Streit liegen? Muss Rom diese Last schultern? Könnte es nicht einmal nur die Vorteile wählen, den Handel und für jene zur Rechten des Imperators die Durchlässigkeit in der Verbindung zur Gelben Pagode? So, wie wir Aegyptus heute organisieren, bleibt es stets der Unruheherd im Orient. Wir sollten die griechischen und jüdischen Empfindsamkeiten mit Rücksicht auf die Mutterländer schonen, derer wir dringlich bedürfen.
Auch will mir nicht in den Sinn, dass der praefectus Aegypti et Alexandreae beim Tempelbesuch als König begrüßt wird, obwohl er nicht einmal römischer Beamter ist, sondern lediglich Diener des Imperators. Deshalb ist er ja auch nur ritterlichen Standes, was in der Folge dazu führt, dass auch die in Aegyptus stationierten Legionen nicht unter senatorischen legaten stehen, sondern von ritterlichen praefecti legionis geführt werden - sonst wären ja die Legionskommandeure ranghöher als der Statthalter. Eine absurde Konstruktion - Fremdkörper im Orbis. Hätte es nicht genügt, zwischen kaiserlichen und senatorischen Provinzen zu unterscheiden? Musste Octavian sich ein komplettes und höchst kompliziertes Land als Privateigentum zulegen - ihm zum Nutzen, Rom zur Last?
Dies ist mein zweiter unverrückbarer Befehl, solltet ich eines Tages von euch gehen, ohne selber das Problem gelöst zu haben: So wie ich jede Expansion nach Germanien und Britannien verbiete, aus wohlerwogenen Gründen, so gebiete ich euch, löst Aegyptus aus dem römischen Staatsverband. Das Land bleibe auf Rom angewiesen, bleibe Teil des Orbis, doch Provinz soll es nicht sein!
Die Auflösung ist das Rechte, denn wenn man für die Seinen Gefahren vermeidet und sich von bereits vorhandenen Gefahren löst, so tut man das Rechte.
Die Beschränkung. Erlegt Rom und seinen Interessen weise Zurückhaltung auf, damit die Bürden nicht überwiegen. Erlegt Rom und seinen Interessen jedoch keine bitteren Beschränkungen auf, jedenfalls nicht dauerhaft. Haltet Maß zwischen nötiger Expansion und nützlicher Selbstbeschränkung.
XXXI Im Osten, gegenüber den Parthern, mag es nötig werden, den Orbis noch an etlichen Stellen zu arrondieren, so wie wir nie die große Aufgabe vernachlässigen dürfen, unsere lebensnotwendige Donaugrenze zu gewinnen und halten. Wenn wir die Kuh-Furt von Europa her überschreiten, gelangen wir in die senatorische Provinz Bithynia et Pontus, im Norden vom Pontus Euxeinus begrenzt, im Süden vom astacenischen Meerbusen. Schon Pompeius Magnus errichtete sie, nachdem König Nicomedes IV. seinen Besitz Rom vererbt hatte. Mysia wartet mit Gold-, Silber-, Bleiminen sowie Holzwirtschaft auf. In Ephesus, der Hauptstadt des senatorischen Asia, teilen sich ein ausgeloster Proconsul und drei legati pro praetore die Verwaltung mit einem quaestor und procuratores, die die Interessen des Imperators wahrnehmen. Ich plädiere hier für Milde und Großzügigkeit, denn das Land wird von Rom seit den Bürgerkriegen auf furchtbarste Weise steuerlich ausgesogen. Allein Sulla erhob fünf Jahressteuern - in einem Jahr. Lydia, einst senatorische Provinz, wurde vor langer Zeit zur Asia geschlagen. Caria ist noch senatorisch, alle anderen jedoch, als da sind Lycia et Pamphylia, Galatia, Lycaonia, Cilicia, Syria und Phoinicia sind kaiserliche Provinzen, wie es ihre Nähe zur gefährdeten Ostgrenze des Imperiums verlangt. Außerdem stellen sie ein kostbares Gut dar, das vom Imperator geschützt werden soll. Sie warten mit Ölexport auf, ernten Storax und Hyssopos, graben nach Rauchtopas und Opal, liefern Bibergeil, Honig, Wachs, Kräuter, das Holz der Kermeseiche und feinste Schafwolle. Außerdem sind zu nennen Pergament und Feigen, Nüsse, Teppiche und Keramik, Seidenstoffe in feinster Veredlung, Leinen, Flachs, Marmor, Pferde, Tierhäute, Datteln und Glas, auch Asphalt, kurzum mehr als genug, um die Begehrlichkeit Parthiens zu wecken und gegen Rom zu stacheln, selbst wenn es den Parthern einmal nicht um die Besetzung des armenischen Throns geht.
Iudaea hingegen halten wir teils als kaiserliche Provinz, teils auch unter einem hervorragenden Klientelfürsten, meinem Freund Herodes. Er ist nicht beliebt bei den Juden, weil er dem Volk des unsichtbaren Gottes mit hellenistischer Kultur zu nahe tritt, was sie ihm niemals verzeihen, obwohl er gut für seine jüdischen Untertanen sorgt. Viel üble Nachrede ergießt sich kübelweise über Roms Freund Herodes, den Freund jener zur Rechten des Imperators, der dennoch an seiner Aufgabe und dem Ideal des Orbis festhält.
Wer den König macht, ist größer als der König, sagt er. Nur wenige heißen Saul. Viele nennen ihren Sohn Samuel. Dies hat mich Herodes gelehrt.
Die Götter geben dem einen Begabung, dem anderen Glück.
Iudaea ist unser Zaun gegen die Parther, unser Aufmarschgebiet, unser Landungshafen. Zwingt die Vasallenkönige nach Rom, zwingt sie, in unseren Triumphzügen mitzureiten im Gefolge des Imperators und dabei sollen sie tragen ein Schwert, das in der Scheide festgenagelt ist.
Unsichtbar ist der Gott der Juden. Wie schon Pompeius Magnus überzeugte ich mich davon persönlich, indem ich die innerste Zelle ihres Tempels aufsuchte, die leer ist. Anders jedoch als Pompeius unternahm ich meinen Besuch heimlich, denn ich wollte dieses stolze kleine Volk nicht erneut demütigen. Wir brauchen diese Küste, um Syrien zu halten. Und Syrien brauchen wir, um gegen das Königreich der Parther zu bestehen. Deshalb beschränkt Rom sich hier auf einige Städte, überlässt das meiste Gebiet der Verwaltung des Herodes, für den sich allerdings schwerlich ein gleichwertiger Nachfolger finden lässt. Die jüdische Aristokratie der Sadduzäer verwaltet das verbleibende, nicht hellenisierte Gebiet. Ein gefährliches Land, das uns in opferreiche Konflikte verwickeln könnte. Aus den genannten Gründen ist es, vornehmlich wegen seiner Lage zum Partherreich dennoch unverzichtbar. Divide et impera. Warum übertragen wir das System der Herrschaftsausübung, das wir im Land der Juden üben, nicht auf das wesentlich gefährlichere Ägypten mit seinen sieben oder acht Millionen Menschen?
Siebzehn Jahre nach der schimpflichen Niederlage des Crassus bei Carrhae wollte Antonius Roms Niederlage rächen. Sein Heer war mehr als doppelt so groß, wie jenes, das Crassus führte. Zehntausend Reiter gehörten dazu und Schleuderer, deren Kugeln weiter flogen als die parthischen Pfeile und dennoch Panzer durchschlugen. Wir kennen den Ausgang.
Umso verwunderlicher und erfreulicher ist die Lage in unserer Zeit. Pompeius hatte mit den Parthern die Euphratgrenze vereinbart. Der Angriff des Crassus war daher rechtswidrig. Octavian jedoch schloss mit König Phraates einen Friedensvertrag, der dazu führte, dass wir Gefangene austauschten, die Feldzeichen des Crassus zurück erhielten, dass die Parther auf fernere Einflussnahme in Armenien verzichteten - und wir im Tausch nur den Gegenkönig Tiridates fallen lassen mussten, den wir in Syrien gepäppelt hatten.
Zweifellos aber bleibt diese Grenze im Osten bedroht - mächtig und unruhig ist das Regnum Parthorum. Und ich will kundtun, dass mir der Tigris als Grenze sicherer erscheint als der Euphrat. Andererseits sollten wir dort nichts überstürzen. Dort hausen keine Barbaren. Am Tag, als der parthische Hof seinen Sieg über Crassus bei Carrhae feierte, führte man dort eine Tragödie von Euripides auf. Ich halte nicht für ausgeschlossen, dass aus solchen Feinden langfristig neutrale Nachbarn, wenn nicht gar Verbündete zu machen sind. Täusche ich mich jedoch, dann sollten wir nicht davor zurückschrecken, in ihrem Rücken jene Länder als Verbündete zu gewinnen, auf die Alexander bei seinem Zug an den Indus traf.
Innere Wahrheit - Schweine und Fische, Heil! ( ... )
Des Kleinen Übergewicht kann euch retten, denn es ist nicht immer gut, zur Spitze zu streben. Manchmal müssen jene zur Rechten des Imperators sich bescheiden. Sie müssen aufgeben und nachgeben, müssen sich fügen bis hin zu jenem äußersten Grad, dass sie den Imperator, Rom, die Pax Romana und den Orbis fahren lassen, um sich selber zu erhalten. Jene zur Rechten des Imperators müssen den Imperator und das Imperium überleben. Dann besteht immer Hoffnung auf Neuanfang.
XXXII Ich habe vernommen, dass im Land der Gelben Pagode Bären gefangen werden für die kaiserlichen Parkanlagen. Man sagt mir, dass ein Eisen- und Salzmonopol errichtet wurde, dass es Bauernaufstände gibt und Angriffe nördlicher Barbaren - wer denkt da nicht an unsere eigenen Butterfresser!
Offenbar gleichen die Menschen sich also bei uns und im Land der Gelben Pagode, das sich auch Land der Mitte nennt. Offenbar schlagen die Weisen der Gelben Pagode sich mit den gleich Problemen herum wie jene zur Rechten des Imperators. Das macht uns einerseits Mut, zeigt es doch, dass wir weder allein sind, noch ohne Vorbild. Es zeigt, dass wir lernen und lehren können. Es zeigt, dass wir uns helfen können gegen unsere Fürsten, sobald diese frech werden und gegen die Feinde unserer Fürsten, solange unsere Fürsten gutartig bleiben. Vielleicht können jene zur Rechten des Imperators und die Weisen der Gelben Pagode den Orbis und das Reich der Mitte sogar eines fernen Tages zusammenführen. Es mag ja von Bedeutung sein, dass die Brüder in der Gelben Pagode sich einer Mitte annehmen, während wir uns eines Orbis annehmen, eines Kranzes von Ländern um ein Meer. Ein Kern ohne Rand und ein Rand ohne Kern - das könnte sich möglicherweise ergänzen. Doch dies ist weit ins Blaue hinein spekuliert.
Die Ähnlichkeiten der Probleme zeigt aber auch, dass hüben wie drüben ähnliche Menschen zu Werke gehen mit ähnlichen Stärken und Schwächen. Hüten wir uns also vor allzu großer Vertrauensseligkeit. Von uns wissen wir, dass Rom weder die Absicht noch die Mittel hat, Parthien zu überrollen, um das Reich der Gelben Pagode anzugreifen. Von unseren Brüdern wollen wir gern das gleiche glauben. Doch wir wissen es nicht.
Gleich, wie viel sie mich gelehrt haben über das Verhalten jener zur Rechten des Fürsten und bei aller Verbundenheit, gelten im Umgang mit ihnen die Regeln über Macht und Spione, die ich zu Beginn dieser Strategeme erläuterte.
Jene zur Rechten des Imperators müssen stets ihren princeps vor den Boten der Gelben Pagode abschirmen. Es könnte sich um Attentäter handeln.
Jene zur Rechten des Imperators müssen stets Spione ausschicken ins Land der Gelben Pagode.
Jene zur Rechten des Imperators dürfen den Botschaften der Gelben Pagode nie ungeprüft glauben.
Jene zur Rechten des Imperators müssen versuchen, Botschafter der Gelben Pagode für sich zu gewinnen.
Jene zur Rechten des Imperators müssen selber offizielle Botschafter zur Gelben Pagode entsenden.
Die Botschafter müssen mit großer Freundlichkeit zu Werke gehen, solange die Gelbe Pagode uns gewogen ist oder uns helfen kann.
Die Botschafter müssen mit Festigkeit zu Werke gehen, sobald die Gelbe Pagode unsere eigenen Pläne stört, uns droht oder Hilfe verweigert.
Die Botschafter müssen solche Männer sein, dass die Gelbe Pagode sie unmöglich zu Doppelspionen machen kann.
So, wie die Gelbe Pagode die Existenz jener zur Rechten des Imperators an Octavian verraten kann, so müssen wir uns in die Lage versetzen, die Gelbe Pagode an den Kaiser des Reichs der Mitte zu verraten. Es herrsche Ausgewogenheit in der Freundschaft und im Schrecken!
Nach der Vollendung - das ist unser Zustand eines bald vollkommenen Gleichgewichts, dessen Erhaltung äußerste Vorsicht erfordert. Die meisten Bewegungen, die wir ausführen könnten, würden das Gleichgewicht stören. Bei aller Vorsicht und Zurückhaltung aber, die wir uns selber auferlegen, wissen wir doch, dass eines Tages jemand die falsche Bewegung machen wird, die das Gleichgewicht zerstört. Wir können diesen Zeitpunkt hinauszögern, wahrscheinlich jahrhundertelang, doch eines Tages kommt er. So ist der Augenblick der Vollendung ein Augenblick größter Sorge. Die Sammlung, ist sie bald vollendet, strebt der Zerstreuung und Auflösung zu.
Vor der Vollendung. Wenn das Imperium zerfällt und Rom geht zugrunde, so wie bisher noch alle Reiche des Orbis untergegangen sind, dann kommt es darauf an, dass jene zur Rechten des Imperators überleben. Dann besteht kein Anlass zur Sorge, denn der Orbis kann aus seinen Bruchstücken wieder hergestellt werden. Es ist nicht unbedingt erforderlich, das Rom die Teilstücke zusammen zwingt. Der Orbis kann sich neu bilden, wenn jene zur Rechten des Imperators die Teilstücke zu einem neuen Rom zusammen fügen.
XXXIII Die Dreiunddreißig rahmen die Vierundsechzig. Sie geben ihnen Halt und bekommen Halt von ihnen, so wie der Osten und der Westen ineinander gefügt sind und Gestern an Morgen grenzt. So aber, wie einer vorangehe und den Herold mache, so gehe einer hintendrein zum Trost der Nachzügler!.
Schlusswort:
Agrippas Gold, unser konstitutives Dokument - ist gefunden. Seit 1999 hat eine winzige Gruppe der Dreiunddreißig mithilfe der Website gesucht und getrickst und Fallen gestellt - und auch gefälscht. Bis 2001 wurde sogar ich betrogen. Wenn diese Vorgänge Sie interessieren, lesen Sie den Roman. Hier auf der Website ist jetzt Agrippas Gold erschienen, die Kombinatorik aus 76.230 hauchdünnen Goldlettern ohne Leerstelle. Aus diesem Gold hätte werweißwas entstehen können, zum Beispiel die Religion der ubischen Leibgarde des Kaiserhauses, siehe CCAA. Was tatsächlich blieb, und jetzt enthüllt wird, da Klarheit herrscht über Europas künftigen Weg, ... ist ein Text.
Aurum Agrippae ist der gebräuchliche Kurztitel für Agrippas literarisches Hauptwerk, eine Art Sachbuchthriller der Gründer. Die Urschriften römischer Gesetzestexte und kaiserlicher Dekrete wurden in Metall gegossen oder gestochen, oft in Bronze. Den Text Agrippas schnitten die Gründer in Stahlplatten. Dann wurden die Einkerbungen im Stahl mit Gold ausgegossen. Später ließ Augustus die Goldlettern chemisch wieder aus dem Stahl herauslösen und schmolz und schmiedete den Stahl zu Waffen um für seinen Germanienfeldzug. Übrig blieben goldene Buchstaben, dünne, biegsame Golddrähtchen - Agrippas Gold.
Agrippa selbst hat sein Werk nicht so hochtrabend überschrieben. Vielmehr titelte er nüchtern orbis terrarum aut strategema pacis Romanae, was auf Deutsch ungefähr heißt Der Erdkreis oder die Kriegslisten des Römischen Friedens. Zugegeben paradox. Der Titel hat etwas von “si vis pacem para bellum” - und gewiss ist Aurum Agrippae griffiger. Also belassen wir es bei dem Kurztitel, der sich später ohne Zutun Agrippas einbürgerte.
Es ist nicht zufällig so, dass die Publikation des Aurum Agrippae abschloss mit dem Beginn der Olympischen Sommerspiele in China 2008. Damit fügte sich manches zur endgültigen Form, Plumbum Agrippae wird es zeigen. Genaue Leser haben bis dann natürlich bemerkt, warum der Rat der Gründer dreiunddreißig Sitze hat. Oder sie fanden im Aurum Agrippae Spuren sorgfältiger Suntze-Lektüre und eine recht eigenwillige Interpretation des I-Ching.
Hier nur noch ein Wort zur Übersetzung: Latein ist prägnanter als Deutsch. Wenn ich also aus dem Lateinischen übersetze, ergibt die Übersetzung fast immer deutlich mehr Text als das Original, sogar wenn man nicht zur Geschwätzigkeit neigt. Für noch längere Übersetzungen sorgt die Fülle von Abbreviaturen, derer sich lateinische Autoren so gern bedienten. Agrippa war da keine Ausnahme. Ausgehend von den gut 76.000 Zeichen des Ursprungstextes, landete ich also mit meiner Übersetzung bei rund 110.000 Zeichen. Wir reden hier von modernem Deutsch, das sich nicht in Anachronismen und altertümelnder Nachahmung ergeht - andererseits jedoch oft apodiktisch klingt, dunkel oder barsch esoterisch, denn um die Tendenz zur äußersten Verdichtung und Verknappung, wo oft ein Essay nötig wäre, um einen Absatz Agrippas mit allen Implikationen verständlich zu machen, kommt kein Übersetzer herum.
Nicht komplett sind diese 110.000 Zeichen hier erschienen. Manches konnten oder wollten wir nicht publizieren, doch aufschlussreich sind auch die 75.000 Zeichen, die wir freigegeben haben.
Venedig, Großes Archiv, im Juli 2008
Karl Bucholtz, successor principis
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