creatores : DAS ARCHIV DER GRÜNDER : agrippas mund |
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Akte 9/11
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Franz Dusch |
Paulus Smet-Nayes |
Prokop Jessen |
7.00 Istanbulzeit: Juan Rodil, praefectus magistrorum, der Personalchef des Rates, besucht Istanbul. Er will Kontakte zu freien legaten pflegen, und neu anknüpfen. Um 7.00 Uhr trainiert er auf dem Laufband im Fitnessraum seines Hotels. Danach wird er ein paar Runden schwimmen und duschen. 8.00: Rodils maiordomus Harald Svedberg bringt die täglich vom Zentralarchiv erstellte Presseschau, die er gerade ausgedruckt hat. Rodil und Svedberg wechseln ein paar Worte über die polnischen Wahlen am 24. September. Mittlerweile gilt als ziemlich sicher, daß viele EU-Skeptiker in den Sejm einziehen. Rodil: Neues von De Kempenaer? Svedberg: Nein. Rodil: Und welche antiken Waffen sammelt die NATO heute wieder in Mazedonien ein? Svedberg: Manchmal frag ich mich, ob wir die Zuständigkeit für diese balkanischen Konflikte nicht völlig neu mit CLU verhandeln sollten! Rodil: Das wird schon, irgendwann. Und - CLU? Wo die ganze Region ruiniert ist vom Bakschisch-Regime der Sultane? Nach achtzig Jahren immer noch. Das allerdings ist nie mehr völlig wieder gut zu machen. Svedberg: Lassen Sie sowas bloß nicht Toprak hören! Rodil: Wieso? Ich spreche ausdrücklich nicht von der kemalistischen Republik. 9.00: Juan Rodil frühstückt mit Azim Toprak, dem Provinzlegaten für die Türkei. Sie besprechen die aktuelle Finanzkrise, die längst auch den Großen Basar erreicht hat. Viele Geschäfte dort stehen leer. Die Händler, deren Einnahmen in Türkischer Lira ohnehin schwinden, müssen die Miete für ihre Geschäfte in Dollar oder Mark bezahlen. Der Verfall des Außenwerts der Türkischen Lira macht so die Mieten immer teurer. Selbst bei florierendem Binnenmarkt könnten viele nicht mithalten. Aber der Binnenmarkt floriert leider nicht. Rodil erwähnt beiläufig die These des französischen Historikers Fernand Braudel, der erste wirkliche Weltkrieg der Menschheitsgeschichte sei der Krieg des Osmanischen Reichs gegen Habsburg gewesen. Das Schlachtfeld habe sich von Gibraltar über Wien bis auf die Philippinen erstreckt. Azim Toprak reagiert säuerlich. Toprak: Wollen Sie damit rechtfertigen, wie Europa die Türkei hartnäckig auf Abstand hält? Rodil:
Wissen Sie, ich las kürzlich ein Doppel-Interview mit Hümeyra
Özbas, der Enkelin des letzten Sultans und Mustafa Atatürks
Tochter Ülkü Adatepe. Eine der Damen fand die arabischen
Länder rückständig, weil man dort am Boden sitzend speist.
Beide zeigten wenig Verständnis dafür, daß sich Wien
noch immer an die türkischen Belagerungen erinnert. Frau Özbas
sagte lachend: "Ja, früher hatten wir die Angewohnheit, andere Länder
zu überfallen." Das ist eine schwierige Partnerschaft mit euch. Ist
der Integrationswille der türkischen Eliten wirklich stark genug?
Ich habe meine Zweifel. Toprak: Tun sie doch jetzt schon. Denken Sie an Bin Ladens 500 Kämpfer, die zeitweilig die UCK unterstützten! Rodil: Was wissen wir inzwischen über die Arabisch-Islamische Bank in Tirana? Ich weiß, nicht Ihr Gebiet, aber... Toprak: Geheimdienste rechnen sie zum Einflußbereich Bin Ladens. Wir selber haben keine Belege dafür. Meine persönliche Meinung: Sie ist Bin Ladens geo-finanzpolitischer Brückenkopf in Europa. Rodil: Tatsächlich? Ausgerechnet diese Klitsche in Albanien? Mehr noch als die Institute in London und Düsseldorf ...? 10.00: Rodil führt
ein Motivationsgespräch mit Ahmed Bataci, einem Feindlegaten
in der Organisation Erdogans, des islamistischen Ex-Bürgermeisters
von Istanbul. Bataci:
Er ist mit einem lebenslangen Politikverbot belegt. Das hat keinen
Zweck mehr. Geben Sie mir einen anderen Auftrag! Rodil: Ahmed - Sie sind zu wertvoll! Sie haben jetzt einmal den richtigen Background. Sie bleiben perspektivisch. Knüpfen Sie Kontakte zu weiteren Islamistenkreisen. Mustafa Kemal Paschas Erbe ist bedroht. Von Türken-Türken und Deutsch-Türken. Machen Sie engagiert mit, um Vertrauen zu gewinnen. Sie haben völlig freie Hand. Wenn irgendwelche übereifrigen Militärs Sie einsperren, holen wir Sie raus. Bataci: Und wenn die übereifrigen Militärs oder meine Islamistenfreunde mich ermorden? Macht ihr mich dann auch wieder lebendig? 10.30: Rodil wirbt Murad Musinzade für die Schwarzen Hände des Ordo-praefecten an. 11.00: Rodil telefoniert mit Konstantin Ghika. Der praefectus ordinis lehnt die Anwerbung Musinzades ab. Rodil: Wir brauchen jeden Mann gegen De Kempenaer. Ghika: Aber ich suche meine Männer selber aus. 12.00: Rodil, Toprak, Svedberg und zwei Leibwächter legen, nach einer konspirativen Autofahrt, mit der Bosporusfähre vom Bogaz-Iskele ab. Rodil zieht sich ins schwach besetzte Heck des Fährschiffs zurück, um an der täglichen Telefonkonferenz der Ratsführung teilzunehmen. Es kommt zu einem neuerlichen Wortwechsel zwischen Rodil und Ghika. Princeps Adam Bonaventura Czartoryski nimmt an der Konferenz nicht teil. Der successor Karl Bucholtz versucht, Ghika zu überzeugen, dem neuen Mann doch zunächst einmal eine Chance zu geben. Ghika lenkt jedoch nicht ein. Die Entscheidung wird auf die Telefonkonferenz am Donnerstag verschoben. Rodil plädiert für die Ratssitzung am morgigen Mittwoch, doch dies lehnt der successor Bucholtz ab. Die Tagesordnung sei ohnehin schon überfrachtet. 13.08: Der Snackverkäufer des Fährschiffs preist vor Juan Rodil zum wiederholten Mal seine Erfrischungen an. Die Leibwächter werden nervös. Snackverkäufer: Cola, Wasser, Sesamkringel, Tee, Orangensaft sehr frisch, Yoghurt ... Rodil: Nein danke. Snackverkäufer: Yoghurt, Effendi? Rodil: No, thank you very much. Snackverkäufer: Idiot! ab 13.10: Mehrere Telefonate Rodils mit magister Jessen, der für die Tagesordnung der morgigen Ratssitzung zuständig ist. Rodil will ihn überreden, die Ernennung doch noch auf die Tagesordnung zu setzen. Jessen bleibt hart ... ca. 14.00: Die Bosporusfähre erreicht ihren Zielhafen Anadolu Kavagi auf dem asiatischen Ufer. Die Gruppe um Rodil mischt sich beim Ausschiffen unter die Touristen. Erst fünf Minuten später werden sie von drei verspäteten Dienstfahrzeugen der türkischen Marine abgeholt. Rodil befiehlt einen Abstecher - hinauf zu den Ruinen des genuesischen Kastells im Norden. Vom Hügel blicken sie auf einen Frachter unter maltesischer Flagge, der aus dem Bosporus ins Schwarze Meer läuft. Rodil mustert den Horizont. Rodil: Vorn Rußland. Rechts der Kaukasus. Terroristen, Öl und Pipelines. Dann die Turkstaaten, deren Öl, der politische Islam. Hinten das Mittelmeer ... Toprak: ... und links das Armenhaus Europas. Bulgarien, Rumänien ... Sie lassen die Fahrer ihre Zigaretten zuende rauchen. Dann lassen sie sich zur Villa des Kommandanten chauffieren. Dort warten, in getrennten Zimmern, ohne voneinander zu wissen, vier Menschen auf ihren Vorstellungstermin beim praefecten Rodil. Die Gespräche werden darüber entscheiden, ob die Kandidaten hinauskomplimentiert werden und niemals wieder einem Angehörigen des Rats begegnen - oder ob Rodil sie als freie legaten verpflichtet. Rodil läßt das Haus sichern und überfliegt nochmals die Dossiers. Dann beschließt er, vor dem ersten Gespräch kurz zu duschen. 15.45: Ein entführtes Passagierflugzeug, American Airlines Flug 11 von Boston, Massachusetts fliegt geradewegs in den Nordturm des World Trade Centers. Das Flugzeug reißt ein großes Loch in das Gebäude. Kerosin explodiert und setzt das Gebäude in Brand. Eine riesige Rauchwolke quillt aus dem Turm. 15.50: Svedberg holt Juan Rodil aus dem Bad in den großen Salon, wo der Fernseher steht und der erste Kandidat bereits wartet. Svedberg bedrängt den praefecten so heftig, daß Rodil sich nur den Bademantel des Kommandanten überwirft und Svedberg in diesem Aufzug folgt. Der Kandidat, ein türkischer Geheimdienstmann mit wichtigen Verbindungen nach Usbekistan und nach den kaukasischen Staaten, mustert die merkwürdige Erscheinung im zu kurzen Bademantel und macht ein verblüfftes Gesicht. Rodil stellt sich vor und schickt ihn auf sein Zimmer. Rodil: Hoffen wir, daß es ein Unfall ist! Svedberg: Zu groß, die Maschine. Piloten, denen man solche Maschinen anvertraut, stürzen nicht ausgerechnet ins World Trade Center. Rodil: Auch nicht, wenn man sie zwingt? Svedberg: Dann ist es kein Unfall mehr. Rodil: Klugscheißer! Wahrscheinlich läßt man sich ja als Pilot auch lieber in den Kopf schießen, als Maschine und Passagiere und das eigene Leben ins World Trade Center zu stürzen ... es sei denn - vielleicht haben Terroristen die Familie des Piloten als Geiseln genommen? Rufen Sie Smet-Nayes in Boston an ... nein warten Sie, der wird jetzt gerade mit Venedig sprechen ... Svedberg: Mein Gott, die Leute in den oberen Stockwerken kommen da doch nie mehr raus! Wie viele sind da wohl? Rodil: Da arbeiten rund 50.000 Menschen. Dazu Touristen ... 16:03: Das zweite entführte Flugzeug, United Airlines Flug 175 von Boston fliegt eine merkwürdige Kurve und durchschlägt dann den Südturm des World Trade Centers. Man kann den Wiederaustritt explodierender Flugzeugtrümmer aus der Nordseite des Turms sehen. Jetzt brennen beide Türme und es gibt keinen Anlaß mehr, einen Terroranschlag zu bezweifeln. Immer drängender die Frage, was aus den Menschen über den Einschlagstockwerken wird. Wie sollen die sich retten? Unter ihnen brennt alles. Menschen winken verzweifelt aus dem 98. Stockwerk. Dann springen sie aus dem Fenster. Lieber zerschellen als verbrennen. Rodil: Das kommt aus der Islamistenecke! Wahrscheinlich die Quittung für Bushs untätige Nahostpolitik! Wenn das Selbstmordattentäter von Hamas oder Hisbollah waren, dann gnade Gott Palästina! Svedberg: Unterhalten Sie Beziehungen zu Gott? Rodil: Wieso? Svedberg: Sie könnten ihn bitten, daß es Leute wie der Unabomber waren. Amerikanische Spinner aus irgendeiner ultrarechten Sekte. Rodil: Sie sind ein Zyniker, Svedberg. Svedberg: Ich komme nur aus einem Land, wo man im Winter tüchtig heizen muß - und das sehr oft mit Öl, mit arabischem Öl ... De Kempenaer? Rodil: Glaub ich nicht. Nicht, daß ich es ihm nicht zutraue! Aber er hat bisher stets versucht, Keile zwischen COT und CNM, zwischen Europa und Amerika zu treiben. Hier kann er sich ausrechnen, daß der Anschlag zu einer Solidarisierung führt. Svedberg: Irgendwelche europäischen Terrorgruppen? Rodil: Kennen sie eine von diesem Kaliber? Svedberg: Haben Sie die alarmierte Notiz des Horreapraefecten gelesen - über die Leerverkäufe gewisser Aktien? Hundertmal so viel wie sonst? Rodil: Na gut, wer synchron zwei Flugzeuge entführt - der ist auch schlau genug, an dreckigen Finanzmarktmanipulationen zu verdienen. Immerhin ein weiteres Indiz dafür, daß es sich nicht um verrückte Einzeltäter handelt. Da steckt ein Netzwerk hinter. Inzwischen ist Azim Toprak zu ihnen gestoßen. Die Leibwächter achten darauf, daß die Kandidaten nicht ihre Zimmer verlassen. 16.40: Die Federal Aviation Administration untersagt alle zivilen Starts von amerikanischen Flughäfen. Ein solches landesweites Verbot kommt zum ersten Mal vor. 16.43: American Airlines Flug 77 stürzt ins Pentagon, und verursacht eine riesige Staubwolke. Die Evakuierung beginnt sofort. . Rodil: Gott! Das ist Krieg! Warum haben die Amerikaner das Ding denn nicht vom Himmel geschossen? Das gibt's doch nicht! Das Pentagon! Diese Demütigung! Ausgerechnet das Pentagon! Wenn jetzt auch noch Rumsfeld oder einer der Vereinigten Stabschefs tot ist ... Bush dreht durch. Hoffentlich sind jetzt die richtigen Berater bei ihm! Wo ist Powell? Toprak: Lateinamerika. Rodil: Scheiße! 16.45: Das Weiße Haus wird evakuiert. Juan Rodil pm versucht vergeblich, mit dem Zentralarchiv in Venedig zu telefonieren. Alle Anschlüsse sind besetzt. Schließlich gelingt es dem Provinzlegaten Toprak, auf dem Umweg über das Türkische Archiv in Istanbul eine Verbindung herzustellen. Man weiß in Venedig nur, daß die amerikanische Administration als handlungsunfähig betrachtet werden kann. Man konzentriert sich auf die Koordination der europäischen Reaktionen. 17.05: Der Südturm des World Trade Centers bricht ein und verschüttet die Straßenzüge an seinem Fuß. Eine gewaltige Wolke aus Staub, Rauch und Schuttpartikeln quillt durch die Straßen und verschlingt alles, was nicht schnell genug rennt. Rodil kommt aus dem Bad, wo er sich endlich angezogen hat. Fassungslos starrt er auf die Bilder. Es dauert, bis professioneller Instinkt die Oberhand zurückgewinnt. Können die USA gegen
Hamas und Hisbollah, verstärkt gegen den Irak oder möglicherweise
gegen Syrien oder die islamistischen Taliban in Afghanistan mit türkischer
Hilfe rechnen? Wie wird sich die Türkei in der NATO verhalten?
Wie reagiert die Bevölkerung? Wie stark sind islamistische Parteien
in der Türkei? Militärische Aktivitäten an der türkisch-irakischen
Grenze? Was geschieht in der nördlichen Flugverbotszone über
dem Irak? Was melden die alliierten Luftwaffen der USA und Großbritanniens
von den Flughäfen der Türkei? Toprak: Da hat Putin jetzt quasi freie Hand. Er kann das Gebiet von der Landkarte tilgen, ohne daß ihm jemand widerspricht. Rodil: Mag sein. Andererseits ist das Pipelineprojekt durch Tschetschenien vom Tisch. Es könnte sein, daß Putin jetzt Friedensverhandlungen beginnt. Svedberg: Fliegen die Russen nicht ausgerechnet heute ein Manöver ihrer strategischen Bomberflotte, um Angriffe auf amerikanische Militärbasen zu üben? Toprak: Putin hat's gerade gestoppt. Rodil: Verdammte Scheiße! Wenn es jetzt die EU-Eingreiftruppe gäbe, könnten wir den Amerikanern Hilfe anbieten und mitentscheiden. Mäßigend einwirken auf den Cowboy. Si vis pacem ... warum kommt das eigentlich nicht vom Fleck? Warum blockiert ihr Türken gemeinsam mit den USA den Zugriff der EU auf NATO-Ressourcen? Toprak: Vergeltung. Weil die EU uns draußenhält. 17.28: Der Nordturm des World Trade Center bricht zusammen und begräbt Unzählige. Eine neue Staub- und Rauchwolke dehnt sich aus. Verschlingt Gebäude, Straßen, verzweifelt um ihr Leben rennende Menschen. Rodil erreicht den princeps. Er telephoniert lange mit dem Ratsvorsitzenden, der in Venedig mit der Führungsspitze konferiert. Anwesend sind successor Bucholtz und die praefecten Samjatin, Polignac, Ghika, Manini und Manners. Es fehlt nur Juan Rodil. Er fragt den princeps, ob er per Konferenzschaltung an der Sitzung teilnehmen könne. Adam B. Czartoryski lehnt aus Sicherheitsgründen ab. Die NSA würde das verschlüsselte Gespräch aufzeichnen und da es sehr lang würde, bekämen die Kryptologen zuviel sensibles Material an die Hand. Juan Rodil fügt sich mißmutig. 19.10: Rodil vereidigt eigenmächtig alle vier neuen Kandidaten. Er geht in jedes Zimmer, führt dort ein kurzes Einzelgespräch und vereidigt nacheinander Sait Nesin, Omar Rifat, Sati Güntekin und Mazlume Cakmak. Die Zeremonien dauern rund anderthalb Stunden. 20.40: Nach Abschluß der Zeremonien ruft Rodil Jessen an, und fordert ihn auf, dem princeps mitzuteilen, die legaten seien vereidigt. Im Augenblick könne man ja nicht genug Leute haben. 21.00: Rodil bezieht Aufstellung auf dem Flur vor den vier Zimmern. Er läßt die Türen öffnen, befiehlt den frischgebackenen freien legaten jedoch, zu schweigen und keinesfalls hinauszutreten, damit sie alle voreinander anonym bleiben. Rodil:
"... meine Dame, meine Herren: nun wird eine Koalition zu schmieden
sein. Ob mit voller Überzeugung oder voller Zweifel - nach diesem
Ereignis müssen wir alle uns Amerika zur Seite stellen, selbst,
wenn der oft so arrogante Hegemon Amerika manches hätte tun können,
um diesen schrecklichen Terroranschlag zu verhindern. Jedoch - jetzt
nicht Amerika zu unterstützen hieße, die zivilisierte Welt
zu spalten. Es geht in den kommenden Monaten, vielleicht Jahren, für
Sie alle natürlich weiterhin um den EU-Beitritt der Türkei,
um Rußlands Rolle in Tschetschenien, um das kaspische Öl und
die Pipelinetrassen. Es geht um das prekäre Verhältnis zu unseren
Partnern im Halbmondrat. Um den Balkan ... 22.00: Rodils Gruppe wird mit einem Marinehubschrauber nach Istanbul geflogen. Sie fahren auf verschlungenen Wegen durch die Stadt ins Türkische Archiv. 23.00: Im Türkischen Archiv, reicht der Sekretär des legaten ihnen die Abschrift einer Meldung, die noch keine Stunde alt ist: 4 p.m: CNN-Korrespondent David Ensor meldet, offizielle Stellen sähen deutliche Anhaltspunkte, für eine Mittäterschaft Usama Bin Ladens, der schon 1998 Anschläge gegen zwei US-Botschaften verübt hatte. Rodil: Das gibt einen amerikanischen Gegenschlag auf die Taliban. Ich leg mich ein Stündchen. Wer weiß, wieviel Schlaf ich in den nächsten Tagen kriege. Wenn was passiert, weckt mich! 12. September 2001 1.00 Istanbulzeit Juan Rodil, praefectus magistrorum, wird im Türkischen Archiv geweckt, weil Prokop Jessen anruft. Jessen begrüßt Rodil und reicht ihn sogleich an den princeps Adam B. Czartoryski weiter. |
6.00 Uhr MESZ, Köln: Franz
Dusch, Provinzlegat für Deutschland, trainiert mit zwei Paar
Qui-Gong-Kugeln. In jeder Hand kreist ein Paar, ohne daß die
Kugeln sich berühren. Hundertmal pro Minute. Dann hundertmal
andersherum. 7.00: Duschs Sekretärin Daniela Schwarz legt die venezianische Presseschau vor. Darin kommen Weltereignisse vor, die aber zunächst nicht interessieren. Heute lautet die wichtigste Frage in Deutschland: nimmt der Bundesverteidigungsminister seinen Hut? Der Verteidigungsausschuß des Bundestags prüft Vorwürfe, Rudolf Scharping sei mit der Flugbereitschaft der Bundeswehr zu privaten Terminen geflogen. Eigentlich glaubt Dusch das nicht. Eine Liste aller Flüge Scharpings, penibel geführt, spricht dagegen. Aber vielleicht muß der Minister trotzdem gehen - wegen der gestellten Pool-Fotos mit seiner Geliebten Pilati. Schwarz: Glaub ich nicht. Gut, ja: peinlich, daß er die Presse eigens zum Fototermin lädt. Aber zurücktreten? Deshalb? Hat ein Minister kein Privatleben? Dusch: Nein. Wenn man junge Männer wegbefiehlt von Familie oder Freundin zum potentiell tödlichen Einsatz nach Mazedonien, dann plantscht man nicht gleichzeitig im Pool rum. Schwarz: Fest steht, egal ob Sie recht haben oder ich... Dusch: Das ist durchaus nicht egal. Ich habe recht! Schwarz: ...jedenfalls nehmen ihn seine Amtskollegen in der NATO kaum noch ernst. Dusch: Ach - der batavische Umlaut! 8.00: Dusch frühstückt mit seiner Familie. 8.30: Dusch ruft
Prokop Jessen in Venedig an. Er weiß, daß die 33 morgen
zur wöchentlichen Plenarsitzung zusammentreten. Dusch legt dar,
daß die Bundesregierung über kein Konzept verfügt, falls
bei den anstehenden Wahlen zum polnischen Sejm EU-Gegner die Mehrheit
gewinnen. 9.00: Telefonkonferenz mit Finanzpraefect Jules-Victor Polignac und Strategiepraefect Dimitrij Samjatin. Dusch soll seinen guten Draht zu Horst Köhler, dem Chef des Internationalen Währungsfonds nutzen, um zusätzliche Finanzhilfen für die angeschlagene Türkei zu mobilisieren. Außerdem erkundigen
die praefecten sich, ob das Potential für die Serbien-Hilfe
bereits voll ausgeschöpft ist. Schon im Sommer, als abzusehen
war, daß die EU ihre Finanzhilfen für das demokratische
Serbien sträflich verzögern würde, hatte Dusch eine
Tranche der privaten Kredite organisiert, mit denen COT Djindjic stützte. (Anm. d. Hrsg.:
Zoran Djindjic fiel inzwischen einem feigen Mordanschlag zum Opfer.
Der Rat hat seinen tiefen Respekt vor dem Opfer bekundet.) 10.00: Vermittlungsversuch zwischen Innenministerium und Auswärtigem Amt. Dusch ist nicht glücklich mit dem Gesetzentwurf Schilys für die Zuwanderung. Er hält es aber für unerläßlich, das Gesetz noch vor der nächsten Bundestagswahl durchzubringen, um die sensible Thematik aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Den Unionsparteien soll jede Möglichkeit genommen werden, ausländerfeindliche Peinlichkeiten zu produzieren. Ein Kritikpunkt am Gesetzentwurf stammt aus der Regierung selbst - vom Außenministerium. Es gibt Länder, die bei Abschiebungen ihre eigenen Staatsbürger nicht wieder zurücknehmen, meist unter dem Vorwand, deren Identität sei nicht nachweisbar. Schilys Gesetzentwurf sieht vor, daß die deutschen Botschaften und Konsulate in solchen Ländern zusätzlich zum Visums-Antrag Fingerabdrücke und Fotos verlangen. Das Auswärtige Amt moniert, damit gebärde Deutschland sich wie ein Polizeistaat. Die Situation im Kabinett scheint festgefahren. Dusch lanciert in die Umgebung des Außenministers einen Kompromißvorschlag: Fotos - ja. Fingerabdrücke - nein. Dusch ist besorgt über das schlechte Abschneiden von Bündnis90/DieGrünen bei den niedersächsischen Kommunalwahlen. Die Funktionäre aus der zweiten Reihe könnten in Versuchung kommen, sich gegen das deutsche Mazedonien-Engagement zu profilieren. Fischer ist und bleibt der Schlüssel. 11.18: Informationsgespräch über den Transport der Euromünzen. 11.40: Telefonat mit Urbano P. Branca, dem Provinzlegaten für Italien, über die Vorkommnisse nach dem G8-Gipfel in Genua. Junge deutsche Globalisierungsgegner waren gezwungen worden, die Stiefel italienischer Carabinieri zu lecken. Dusch: Was will Berlusconi? Branca: Francesco, ich bitte Dich - wer? Dusch: Euer famoser Ministerpräsident. Dieser Medienfuzzi, der euer schönes Land regiert. Schafft der das? In alter Treue fest zur Propaganda Due? Hat er womöglich GLADIO reaktiviert? Branca: Ach, Franz, zieh den Pfropfen! Unser famoser Ministerpräsident wird früher oder später stürzen. Nicht etwa, weil die Italiener so besonders gut informiert würden von seinen Zeitungen und Fernsehsendern. Nein, er macht zu viele Fehler. Da gibt es die Mafiaermittler, denen er die Leibwächter streicht. Da bereiten spanische Staatsanwälte eine Anklageschrift gegen den italienischen Ministerpräsidenten vor - wegen des Finanzgebarens seiner Tochterfirmen. Da schneidert er sich Steuer- und Erbschaftsrecht auf den Konzernleib. Berlusconi widert das Stilgefühl Italiens an. Er macht nicht bella figura. Er empfängt Geschäftspartner wie Staatsgäste und Staatsgäste wie Lumpensammler. Und irgendwann werden sich seine Koalitionspartner von der Lega Nord hinreißen lassen und Plakate drucken, auf denen steht: "Wir brauchen keine Laborratten - wozu gibt es denn Neapolitaner." Dusch: Was ist nun mit den mißhandelten Deutschen? Branca: Ich kümmere mich drum. 12.05: Dusch ruft
Frau Schwarz zurück, um am Memo für die Fischer-Ratgeber
zu feilen. Ist es wirklich sinnvoll, daß Joschka Fischer zwischen
Israel und den Palästinensern vermittelt? Kann er das Vakuum der
Bush-Administration füllen? Bush verspielt alles, was Clinton
aufgebaut hat. Man kann die Palästinenser nicht länger allein
lassen mit dem Irren Scharon. Scharon wird so lange auf Tempelberge
klettern oder sonstwie palästinensischen Terror provozieren, bis
auch in tausend Jahren kein Frieden mehr denkbar ist. Andererseits - schuldet Deutschland Israel nicht genau diese Art kritischer Freundschaft, die Fischer zu bieten hat? 12.30: Dusch empfängt zwei freie legaten, die in Medienkonzernen arbeiten. Sie beraten, um zumindest die alberne Idee aus den Medien herauszuhalten, Berlin könne Tagungsort eines israelisch-palästinensischen Treffens sein. 13.00: Mittagessen. 14.00: Dusch diktiert einige Briefe, die Finanzholding betreffend, die er zur Tarnung betreibt. Er braucht sich kaum ums Geschäft zu kümmern. Das besorgt ein quaestor Polignacs. 14.45: Der entführte American Airlines Flug 11 von Boston, stürzt in den Nordturm des World Trade Centers. 14.48: Dusch ruft seinen freien legaten im Kanzleramt an. 15.03: Das zweite entführte Flugzeug, United Airlines Flug 175 von Boston durchschlägt den Südturm des World Trade Centers. Berlin, 15.04: Anruf des stellvertretenden Regierungssprechers Anda bei der Büroleiterin des Kanzlers, Frau Krampitz. 15.06: Frau Krampitz informiert den Bundeskanzler. Schröder telefoniert anschließend mit Fischer, Schily, Scharping, Schäuble, Gerhardt, PDS-Fraktionschef Claus, Rezzo Schlauch, Merz, Merkel, Kanzleramtschef Steinmeier, Staatsminister Bury, Struck, Stoiber, Westerwelle, und Thierse. Sofort anschließend beginnt eine Krisensitzung mit Fischer, Scharping, Schily und BND-Chef Hanning. 15.30: Präsident Bush hält in Sarasota/ Florida eine kurze Rede, in der er sagt, das Land habe einen "offensichtlichen Terroranschlag " erlitten. Schlaues Kerlchen, denkt Dusch. Dusch hat Kaplans Kölner Kalifat in seiner Stadt und weiß sehr gut, welche Schwierigkeiten die Integration ausländischer Mitbürger macht. Jedenfalls sobald man die Minderheit der gebildeten, kosmopolitischen Eliten verläßt. Er kennt diese Leute, die ihren Glauben nur hinter hohen Mauern und Eisentoren leben wollen, die sich abschotten und Haß predigen. Dusch weiß, daß Deutschland Ruhe- und Vorbereitungsraum für islamistische Terrorgruppen ist. Bin Ladens Finanzchef ist in Bayern gefaßt worden. Die Amerikaner hatten die glorreiche Idee, mit den Taliban ausgerechnet in Berlin zu verhandeln. Der Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt wurde nur mit knapper Not verhindert. Bärtige Männer, die in verbündeten Staaten mit Haftbefehl gesucht werden, ziehen durch Kölner Moscheen und sammeln Geld für den Heiligen Krieg. Dusch weiß, daß Deutschland unter der Hypothek des Nationalsozialismus sicherheitspolitische Fehler gemacht hat. Vieles ist zu lax gehandhabt worden. Unter der Hypothek des Nationalsozialismus ist Deutschland viel zu lange tolerant mit den Intoleranten umgegangen. Nun gibt es fünftausend gewaltbereite Islamisten im Land. Und mindestens die zehnfache Anzahl von Sympathisanten. Was bedeutet das für die Asylpolitik? Dusch ordnet seine Reflexe. Besinnt sich auf England und Frankreich. Auf denen lastet keine nationalsozialistische Hypothek. Trotzdem floriert auch in ihren Vorstädten das fanatische Islamistenmilieu. Englands und Frankreichs Vorstädte haben eine kolonialistische Hypothek. Überall Hypotheken. Die USA selber haben Saddam fett gefüttert. Und die Taliban. Und Bin Laden. Es sind immer die eigenen Fehler, die einen einholen. Immer ein kurzer Schlaf der Vernunft, der die Ungeheuer gebiert. 15.43: American Airlines Flug 77 stürzt ins Pentagon, und verursacht eine riesige Explosion. Die Evakuierung beginnt. 15.45: Das Weiße Haus wird evakuiert. 16.00: Das Lagezentrum im Bundeskanzleramt wird personell verstärkt 16.05: Der Südturm des World Trade Center bricht zusammen. Dusch ruft Kollegen in Amerika an. Er warnt Brady in Hollywood. Es könnte systematisch gegen amerikanische Symbole gehen. Hollywood. Die FED. Disneyland... 16.22: In Washington werden Außenministerium, Justizministerium und Weltbank evakuiert. 16.28: Der Nordturm des World Trade Center bricht zusammen. 16.50: Schröder telefoniert mit Bundespräsident Rau 17.00: Sitzung des Bundessicherheitsrates Dusch ruft vom tiefen Römerkeller des Kölner Archivs seine Frau an, die aus ihrem Büro in der Stadt den Dom sehen kann. F.D.: Schaut ihr Fernsehen? R.D.: Ja. F.D.: Steht der Dom noch? R.D.: Sind die Kinder zuhause? F.D.: Noch nicht. 17.05: Franz Dusch begrüßt seine Tochter, die vom Klavierunterricht heimkommt. Franz Dusch beginnt, sich über die Möglichkeiten des deutschen Zivilschutzes sachkundig zu machen. Das nächste Attentat kommt nicht aus einem Flugzeug. Ein junger Mann mit verträumten, fanatischen Augen wird eine Glasampulle zerbrechen. Chemie wird freigesetzt. Oder Krankheitserreger. Wie viele unterirdische Notkrankenhäuser haben wir noch aus der Zeit des Kalten Kriegs? Verrottet oder gut im Schuß? Die Fahrzeuge des Katastrophenschutzes - in welchem Zustand sind sie? Die Feuerwehren? Wie viele Opfer könnte ein biologischer oder chemischer Anschlag verursachen? Nehmen wir an, es wäre ein biologischer Anschlag. Nicht alle Opfer würden gleichzeitig erkranken. Es blieben ein paar Stunden mehr zur Vorbereitung. Wäre die Bundesrepublik in der Lage, für , sagen wir, eine Million plötzlicher Patienten zu sorgen? Milzbrand? Pocken? Pest? Vielleicht auch nur eine künstliche Virusgrippe? Dusch gibt eine Blitzrecherche über Impfstoffe in Auftrag. Was müssen wir alles bewachen? Kernkraftwerke. Flughäfen. Bahnhöfe. Talsperren. Wasserwerke. Autobahnkreuze. Fernsehtürme. Fußballspiele. Symbolische Orte. Demnächst unbedingt: den Köln-Marathon. Das Brandenburger Tor. Wichtige Internetprovider. Das Oktoberfest. Datenbanken. Gefahrguttransporte. Den Kölner Dom. Die Kanalisation. Weihnachtsmärkte. Den Rosenmontagszug. Im Grunde jede Klimaanlage ... die Welt ist ein gefährlicher Ort. 17.50: Der Bundeskanzler tritt vor die Presse. 18.05: Schröder telefoniert mit Chirac. Die Kernkraftwerke lassen Dusch keine Ruhe. Muß man an jedem Kernkraftwerk Boden-Luft-Raketen der Bundeswehr stationieren? Aber müssen dann nicht auch die privatwirtschaftlichen Betreiber für diesen Schutz bezahlen? Läßt sich womöglich der Atomausstieg beschleunigen? Wieder hat die Vernunft geschlafen. Hätten die Industriestaaten rechtzeitig erneuerbare Energien subventioniert, wäre man nicht so elend abhängig vom Öl. Die Achillesferse der Amerikaner. Man könnte die muslimische Welt sich selber überlassen. Aber sogar dann würden die apokalyptischen Fanatiker den heiligen Krieg predigen. Denn vor dem Weltuntergang müssen ja alle Menschen unter dem grünen Banner vereint werden. Dusch telefoniert mit einem Mitarbeiter Trittins. Erkundigt sich bei ihm nach Joschka Fischer. Die Bundesregierung arbeitet auf Hochtouren daran, Solidarität zu bekunden. Die Sicherheitsbehörden gehen ersten Spuren nach, die ihnen von den Amerikanern übermittelt wurden. 19.35: Schröder telefoniert mit Blair Schröder: Weißt Du noch, wie die US-Kommandostellen uns im Kosovokrieg vorgeführt haben? Wir haben immer mitgemacht. Aber nie mit entschieden. Blair: Macht intensiver mit. Sie erwarten das. Schröder: Und dann werden wir konsultiert? Blair: Nicht unbedingt. Aber man stellt jemand von der Pressestelle ab, der euch zuhört. 19.55: Schröder telefoniert mit Putin. 20.00: Schröder informiert die Fraktions- und Parteivorsitzenden. 20.30: Pressekonferenz Schröders. 20.55: Schröder trifft Struck. 21.00: Franz Duschs Sohn kommt aus dem Fitnesstudio heim. Dusch ruft seine Frau an, die noch ein Geschäftsessen hat. 21.10: Dusch telefoniert mit Pierre Guizot, dem Provinzlegaten für Frankreich. Dusch: Ihr kriegt jetzt Schwierigkeiten wegen eurer guten Geschäftsbeziehungen. Guizot: Wohin? Dusch: Ach tu nicht so! Das ist jetzt der Zeitpunkt, transatlantisch zu denken, mein Lieber. Allerdings frage ich mich, was uns in unseren Vorstädten blüht, wenn erst der Gegenschlag rollt. Guizot: Ich hoffe immer noch, die Attentäter waren Amerikaner! Oder deren Dienste haben was gewußt und ließen es geschehen, um einen neuen Gegner aufzubauen. Dusch: Beweise? Guizot: Pearl Harbor. 21.30: Schröder telefoniert mit Jospin Aus der praefectenkonferenz in Venedig ruft Ghika Dusch an. Ghika: Herr Dusch, es gibt Spuren zur TU Hamburg-Harburg. Können Ihre Leute feststellen, ob dort Illegale sind? Dusch: Tut mir leid, praefect. Ich kenne natürlich das BND-Dossier. Aber direkt eingreifen - unmöglich! Ghika: Und wenn ich Schwarze Hände schicke? Dusch: Nehmen wir an, die Spuren sind wichtig. Dann wimmelt es in Hamburg von BKA und FBI und CIA und, und, und.... Ghika: Stimmt. Eigensicherung geht vor. Da dürfen wir unsere Leute nicht reinschicken. Trotzdem bitte ich Sie, unauffällig zu ermitteln, für den Fall, daß die amerikanischen Quellen versiegen. Ach - und successor Bucholtz läßt ausrichten, Sie möchten eine Strategie formulieren für den Fall, daß Amerika mit Schuldzuweisungen gegen Deutschland reagiert. Noch was: nutzen Sie Ihre Kontakte zu den deutschen Diensten, wo immer es geht. Dusch: Diese Kontakte sind nicht übertrieben gut, verehrter Herr praefect, seit der Verfassungsschutz das alte Kölner Archiv gestürmt hat. 22.00: CNN-Korrespondent David Ensor meldet, offizielle Stellen sähen deutliche Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft Usama Bin Ladens, der schon 1998 Anschläge auf zwei US-Botschaften verübt hatte. 22.20: Senator Bob Graham, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Senat, sagt, er sei nicht überrascht, daß es einen Angriff gegeben habe. Schockiert habe ihn das Ausmaß. 22.30: Dusch spekuliert mit einem Gesprächspartner in Pullach über die Festnahme des Finanzchefs von Bin Laden. Der war auf dem Hof eines Gebrauchtwagenhändlers geschnappt worden. Wollte Gebrauchtwagen kaufen. Angeblich. Wieso haben die Amerikaner ihn nicht unter Zuhilfenahme von Chemie verhört? Sie haben doch sonst keine Skrupel in dieser Hinsicht. Sie haben merkwürdig lange alle möglichen Leute gewähren lassen. Saddam lebt noch. Bin Laden lebt noch. Angeblich hatten die Saudis doch Killerkommandos gegen ihren abtrünnigen Sohn ausgeschickt, als er sich noch im Sudan aufhielt. Warum hat die CIA es damals nicht versucht? 23.00: Telefonat Bucholtz-Dusch: Wie steht Deutschland einem möglichen NATO-Fall gegenüber. Welche Signale aus Deutschland könnte es geben, um langwierige diplomatische Rekognoszierungen überflüssig zu machen. Bucholtz: Und die rot-grüne Koalition? Hält sie? Dusch: Solange die einstürzenden Türme gegenwärtig bleiben. Bucholtz: Deutschland darf diesmal nicht in der dritten Reihe stehen. Es muß auch militärisch präsent sein. Dusch: Dann wird es eng für die Koalition. Jeder Bundeswehreinsatz den Amerikanern zuliebe... Bucholtz: Nein, nein - ich hatte das gar nicht transatlantisch gemeint. Strikt europäisch. Wenn Deutschland sich wieder hinter einem Scheck duckt - wie soll es dann glaubwürdig in Europa Leadership beanspruchen? Für die EU wäre das eine Katastrophe. Dusch: Mit Leadership ist das so eine Sache ... Bucholtz: Sicher! Haben Sie vergessen, daß ich 89/90 auf Ihrem Stuhl saß? Natürlich muß Deutschland leise auftreten, um Paris und London nicht nervös zu machen. Aber - auftreten muß Deutschland. Es geht nicht an, daß die vitalen Interessen eines 82-Millionen-Volkes unberücksichtigt bleiben. Das hält die EU nicht aus. Deutschland gehört in die Gruppe der Länder, die Richtung vorgeben. Zeigt Deutschland jetzt nicht die Bereitschaft, notfalls auch militärisch Verantwortung zu schultern, dann nehmen Paris und London es nicht mehr ernst, ganz zu schweigen von den dann aufkeimenden Sonderwegsverdächtigungen. Dusch: Kann sein, die Grünen machen das nicht mit. Bucholtz: Ein weiter Weg seit den Demonstrationen auf den Bonner Rheinauen. Fischer wäre ein herber Verlust. Was käme dann? Sozial-Liberal? Dusch: Vermutlich Bucholtz: Tja, wenn es dann nicht anders geht ... bis morgen. 0.00: Aus Kabul werden
Explosionen und Raketeneinschläge gemeldet. Die Amerikaner? Oder Angriffe
der Nordallianz, die ihren ermordeten Chef General Massud rächen will?
Vieles sieht vor neuem Hintergrund ganz anders aus. |
0.00 Uhr Bostonzeit: Paulus Smet-Nayes, der 87-jährige COT-legat beim Neuweltrat, ist Gast auf der Geburtstagsparty des CNM-praefecten Flinter, dem er seit Jahrzehnten in streitbarer Freundschaft verbunden ist. Smet-Nayes: Nehmen wir Mazedonien - Du willst doch nicht behaupten, daß ihr uns auf dem Laufenden haltet! Ihr schöpft unsere Informationen ab, behaltet eure für euch und entscheidet nach eigenem Gutdünken. Allenfalls den Engländern werft ihr ein paar Bröckchen hin. Was die UCK in Mazedonien macht, muß unterbunden werden. Basta. Doch was tut ihr? Päppelt die Waffenbrüder aus dem Kosovokrieg. Wollt ihr sie wirklich in dem Wahn belassen, sie könnten ihren Traum von Großalbanien erfüllt bekommen? Haben wir Milosevics Groß-Serbien verhindert, nur um jetzt den Steigbügelhalter für Großalbanien zu machen? Flinter: Europa schwätzt zuviel. Die einzigen, die in Europa schonmal zupacken, sind die Russen. Und die Engländer. Der Rest schwätzt einfach zuviel. Smet-Nayes: Man könnte fast meinen, es paßt euch ganz gut in den Kram, daß COT in England fast handlungsunfähig ist - nach der Explosion des Londoner Archivs. Flinter: Du spinnst, Paulus. Du hast zuviel getrunken. Aber Du legst den Finger trotzdem ganz gut in die Wunde. In Mazedonien - ja, da wollt ihr uns dreinreden. Warum schaut ihr nicht erstmal zu, daß ihr De Kempenaer erledigt? Macht doch erstmal eure Hausaufgaben! Smet-Nayes: Warum habt ihr ihn denn nicht erledigt, bevor er seine schmutzigen Finger in eure Präsidentschaftswahl steckte, hm? Smet-Nayes verabschiedet sich und wird heim chauffiert. ab 1.00: Mehrere Telefonate. Zuerst ruft Archivpraefect Bertuccio Manini an. Bei Abbruch der Nahostkonferenz auf Malta hatte es ein Protokoll gegeben, das den Stand der Verhandlungen dokumentierte. CNM hat dieses Protokoll zwar mit vereinbart, aber immer noch nicht unterschrieben. Smet-Nayes: Sie wollen nicht. Lassen uns lieber warten. Behaupten, es wären noch Einzelheiten zu klären. Ich kann nun hingehen und ihnen ins Gesicht schreien, daß sie lügen. Oder ich warte ab und versuche, dabei unergründlich zu lächeln. Manini: Aber das geht doch nicht. Sie können doch nicht zum Schein mündlich zustimmen und dann die Unterschrift verweigern. Smet-Nayes: Und ob sie können, praefect! Das ist ihr neuer alter Stil. Sie eifern ihrem Präsidenten nach, der, ich will mal sagen, nicht gleich die Axt im Walde ist, aber immerhin als Urlaubsvergnügen das Umlegen von Bäumen mit der Kettensäge pflegt. Manini: Also Sie plädieren fürs Abwarten? Wir tun, als würden wir uns nicht ärgern? Smet-Nayes: Ja. Sonst haben wir Streit. Und Streit können wir uns angesichts der Lage in Nahost nicht leisten. Smet-Nayes ruft Mieroslawski in Los Angeles an. Eine Viertelstunde später wird er von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem praefectus extra Bejamin Manners angerufen. Manners weist ihn darauf hin, daß Mieroslawski direkt Venedig untersteht - nicht dem legaten Smet-Nayes. Smet-Nayes klagt gegenüber seinem Sekretär Derby über Schmerzen in der Brust. Derby: Soll ich den Arzt rufen? Smet-Nayes: Ach was. So ein altes Herz tut nichtmal mehr richtig weh. Derby: Dann mache ich für den Vormittag einen Arzttermin. Da können wir ohnehin nicht ordentlich arbeiten. Smet-Nayes: Kein Arzt! Wieso - nicht arbeiten? Derby: Die Raumausstatter, Herr legat. Neue Büromöbel. 2.00: Paulus Smet-Nayes geht zu Bett. 7.10: Die Raumausstatter nehmen die Arbeit auf. Paulus Smet-Nayes erwacht und läßt sich ein Glas Wasser bringen. Dann schläft er wieder ein. 8.45: Ein entführtes Passagierflugzeug, American Airlines Flug 11 von Boston, Massachusetts fliegt in den Nordturm des World Trade Center. 8.50: Paulus Smet-Nayes wird vorzeitig geweckt. 9.03: Das zweite entführte Flugzeug, United Airlines Flug 175 von Boston durchschlägt den Südturm des World Trade Center. Während explodierendes Kerosin, Rauch und Staub in gewaltigen Wolken durcheinanderwirbeln, wird Smet-Nayes klar, daß Amerika den Angriff eines unerklärten Krieges erlebt. Smet-Nayes schließt kurz die Augen, als die ersten Menschen aus den Fenstern springen, um nicht zu verbrennen. Er ordnet an, Venedig anzurufen, widerruft den Befehl aber gleich wieder... Smet-Nayes: ...nein, ruft Flinter an. ... (...) ... Harry - mein Gott, was soll ich sagen, wißt ihr schon was? Flinter: Wenn die Büros voll sind, arbeiten da 50.000 Menschen. Smet-Nayes: Wer daran schuld ist, der hat das Recht verwirkt, zu leben. Entschuldige. Das war ein dummer Satz... Flinter: Wieso? Smet-Nayes: Weil die Flugzeugentführer sowieso schon tot sind. Flinter: Sie müssen Hintermänner haben. Hältst Du für möglich, daß De Kem... Smet-Nayes: Nein. De Kempenaer wollte immer, daß wir streiten. Und er kann sich ausrechnen, daß jetzt aller Streit erst einmal ruht. Wißt ihr wirklich nichts über die Hintermänner? Hat das was mit den Bin-Laden-Websites zu tun, über die wir sprachen? Die Warnungen aus dem Nahen Osten? Flinter: Hör mal ... wir wissen wirklich noch nichts...ich muß... Smet-Nayes: Wenn ihr zurückschießt - schießt nicht aus der Hüfte! Flinter: Das kann ich nicht versprechen. Einen so demütigenden Tiefschlag haben wir seit Pearl Harbor nicht erlebt. Smet-Nayes: Vergleich das nicht! Von Pearl Harbor haben etliche Amerikaner gewußt. Vorher. Amerika sollte kriegsreif geschockt werden. An dem Tag habe ich verstanden, wie amerikanische Politik funktioniert. 9.17: Die Federal Aviation Administration schließt alle Flughäfen im Gebiet von New York City. Paulus Smet-Nayes empfängt eine E-mail aus Venedig. Das übermittelte Codewort ist für Fälle wie diesen gedacht und gibt ihm freie Hand für alle notwendigen Maßnahmen. 9.21: Die Hafenbehörde von New York und New Jersey schließt alle Tunnel und Brücken im Stadtgebiet von New York. 9.30: Präsident Bush, hält in Sarasota, Florida eine kurze Rede und sagt, das Land habe einen "offensichtlichen Terroranschlag " erlitten. Ausgerechnet Florida, denkt Smet Nayes. Er spricht den Gedanken auf Diktaphon: "Ausgerechnet Florida, wo er sich beim Brüderchen bedanken wollte, beim Brüderchen Gouverneur, das ihm die Wahlmänner Floridas, ganz wie versprochen, auf dem Silbertablett serviert hat. Per Wahlfälschung, die von De Kempenaer organisiert war." 9.40: Die FAA untersagt alle zivilen Starts von US-Airports. 9.43: American Airlines Flug 77 stürzt ins Pentagon. Paulus Smet-Nayes, fühlt sich ziemlich schwach. Er befiehlt seinem Sekretär, nochmals Flinter anzurufen. Zunächst gelingt das nicht. Smet-Nayes: Die müssen Powell ranschaffen. Jetzt müssen Leute her, die den Cowboy zügeln. Wo steckt Powell? Derby: In Peru, Herr legat. Smet-Nayes: Wenn man ihn einmal braucht! 9.45: Das Weiße Haus wird evakuiert. 9.57: Bush verläßt Florida. 10.05: Der Südturm des World Trade Center bricht zusammen. 10.08: Agenten des Secret Service mit automatischen Gewehren beziehen Posten im Lafayette Park und auf dem Dach des Weißen Hauses. 10.10: Der getroffene Trakt des Pentagon bricht zusammen. Paulus Smet-Nayes läßt seinen Arzt rufen. Der entführte United Airlines Flug 93 stürzt in Somerset County, Pennsylvania, ab. 10.13: Das Gebäude der Vereinten Nationen wird evakuiert, insgesamt 4.700 Mitarbeiter des Hauptquartiers und 7.000 Mitarbeiter von UNICEF. 10.22: In Washington werden Außenministerium, Justizministerium und Weltbank evakuiert. 10.24: Die FAA gibt bekannt, alle von Auslandsairports eintreffenden Flüge würden nach Kanada umgeleitet. 10.28: Der Nordturm des World Trade Center bricht zusammen. Der Arzt trifft ein und diagnostiziert Angina Pectoris. Smet-Nayes läßt sich von ihm Nitrospray geben. Derby begleitet den protestierenden Doktor hinaus, vorbei an den Raumausstattern, die im Erdgeschoss fernsehen und weinen. 10.45: Alle Regierungsgebäude in Washington sind evakuiert. Derby erreicht Flinter. Smet-Nayes: Es gibt keine verdammte Regierung mehr in diesem Land. Wo steckt der Präsident? Flinter: In Air Force One. Fliegt nach Barksdale. Dick Cheney hält die Stellung im Atombunker unter dem Weißen Haus. Powell wird jeden Moment seinen Perubesuch abbrechen. Also reg Dich ab. Wir tun, was wir können. Bush ist ohnehin wie vor den Kopf geschlagen. Der weiß nicht ein noch aus. Der macht schon nichts ohne Berater. Smet-Nayes: Aber wenn doch, dann gnade uns Gott! Dieser Mann nimmt seine Kettensäge und reitet auf einem Cruise Missile gen Kabul. Schafft jeden ran, der ihn mäßigt. Bush senior...wo steckt der eigentlich, holt den Vater des Präsidenten! Flinter: Wofür hältst Du uns? Für Stümper? 10.46: Außenminister Colin Powell bricht seine Lateinamerikareise ab. 10.48: Die Polizei bestätigt den Flugzeugabsturz in Pennsylvania. 10.53: New Yorks Vorwahlen für das Bürgermeisteramt, geplant für Mittwoch, werden verschoben. 10.54: Israel evakuiert alle diplomatischen Missionen. 10.57: New Yorks Gouverneur George Pataki gibt bekannt, daß alle Dienststellen des Bundesstaats geschlossen sind. 11.02: Rudolph Giuliani, der Bürgermeister von New York, fordert die New Yorker auf, zuhause zu bleiben. Er ordnet an, das Gebiet südlich der Canal Street zu evakuieren. 11.16: CNN berichtet, daß die Gesundheitsbehörden Seuchenteams aussenden. Man befürchtet ABC-Angriffe. 11.18: American Airlines geben bekannt, daß sie zwei Flugzeuge verloren haben: American Airlines Flug 11, eine Boeing 767 auf dem Flug von Boston nach Los Angeles mit 81 Passagieren und einer elfköpfigen Crew. Außerdem Flug 77, eine Boeing 757 von Washingtons Dulles International Airport nach Los Angeles. An Bord waren 58 Passagiere und eine sechsköpfige Crew. Flug 11 traf den Nordturm des World Trade Center. Flug 77 stürzte ins Pentagon. 11.26: United Airlines gibt bekannt, daß Flug 93 von Newark, New Jersey, nach San Francisco, California in Pennsylvania abgestürzt ist. 11.30: Smet-Nayes, der eigentlich mit Bucholtz sprechen will, erreicht statt dessen magister Prokop Jessen, der in Bucholtz' Büro die Stallwache hat, während Bucholtz, der princeps und die anwesenden praefecten konferieren. In diesem Gespräch werden Smet-Nayes' Vollmachten nochmals erweitert. Jessen läßt Smet-Nayes wissen, daß der princeps nur drei Minuten mit CNM-Chef James Brodkey gesprochen hat. Bucholtz hat bei Carlos Tehcume wenig mehr Glück gehabt. Jessen: Außer allgemeinen Floskeln wurde da nichts ausgetauscht. Botschafter Lucius King hat uns mit dem Ausdruck des Bedauerns wissen lassen, seine Zentrale in Boston sei für ihn derzeit unerreichbar. Tun Sie, was immer Sie für richtig halten, legat. Im Namen von COT allein. Oder in Zusammenarbeit mit den anderen Räten. Wir müssen reden. Smet-Nayes: Flinter nennt, was wir reden nennen - schwätzen. Aber ich tue, was ich kann. Ich fahr da jetzt mal hin. Eingeladen oder nicht. 12.04: Los Angeles International Airport, der Zielflughafen von dreien der abgestürzten Flugzeuge, wird evakuiert 12.15: San Francisco International Airport wird evakuiert und geschlossen. Die Einwanderungsbehörde gibt bekannt, an den Grenzen zu Kanada und Mexiko herrsche höchste Alarmstufe. Es gibt noch keine Entscheidung, ob die Grenzen geschlossen werden. 12.30: Die FAA gibt bekannt, daß 50 Flüge im Luftraum über den USA unterwegs sind. Probleme werden nirgends gemeldet. Smet-Nayes erreicht den Hauptsitz des Consilium Novi Mundi. Er wird von einem magister aus der Finanzpraefectur empfangen. magister: Ein Schock, zweifellos. America wird sich lange nicht mehr sicher fühlen. Andererseits weiß man noch gar nicht, ob die Folgen für die Wirtschaft tatsächlich schlimm werden. Es könnte durchaus sein, daß die Krise einen Konjunkturschub .auslöst Greenspan wird sicherlich das seine dazu beitragen. Smet-Nayes: Greenspan hat dieses Jahr schon siebenmal den Leitzins gesenkt, ohne Wirkung. Und vergessen wir nicht, mein Junge, daß da jetzt ganze Firmen ausgelöscht sind. magister: Es wird aber Konjunkturimpulse durch Aufträge an die Rüstungsindustrie geben. Smet-Nayes: Und was ist mit Ballistic Missile Defense? Ist das jetzt vom Tisch? Trotz seines sehr deutlich formulierten Wunsches wird Smet-Nayes nicht zu Brodkey vorgelassen. 13.04: Bush hält auf der Barksdale Air Force Base eine Rede. Er sagt, daß alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden. Weltweit wurde die höchste Alarmstufe für das US-Militär verhängt. Bush bittet um Gebete für die Toten und Verletzten und sagt: Täuscht Euch nicht, Die Vereinigten Staaten werden die Verantwortlichen für diese feigen Anschläge jagen, stellen und bestrafen 13.27: Über Washington wird der Ausnahmezustand verhängt. 13.44: Das Pentagon gibt bekannt, daß fünf Kriegsschiffe und zwei Flugzeugträger aus dem Marinehafen Norfolk auslaufen, um die Ostküste vor weiteren Angriffen zu schützen und die Zahl der Schiffe im Hafen zu reduzieren. Die beiden Flugzeugträger, USS George Washington und USS John F. Kennedy werden vor die Küste von New York verlegt. 13.48: Bush verläßt die Barksdale Air Force Base an Bord der Air Force One und fliegt zu einem Militärflughafen in Nebraska. Aus dem Wagen trommelt Smet-Nayes die Botschafter von CLU, COR, CID und CEB zusammen. Sie treffen sich auf einem Parkplatz. Einige von ihnen haben bereits ähnliche Erfahrungen gemacht, wie Smet-Nayes. Egmont Kabila fragt, welchen Einfluß denn überhaupt CEB ausüben könne. Und warum es überhaupt solle. Im Kongo-Bürgerkrieg seien in den vergangenen dreißig Monaten 2 Millionen Zivilisten massakriert worden, ohne daß sich die Bruderräte besonders aufgeregt hätten. Man erinnert ihn an die Zellen, die Bin Ladens Netzwerk im Sudan und und Uganda unterhält. Man ruft ihm die Attentate auf US-Botschaften in Erinnerung. Kabila bleibt bei seiner Einschätzung, daß schwarzes Leben offenbar mehr als vierhundertmal weniger gelte, als weißes. Außerdem erinnert er an amerikanische Investoren, die vom Bürgerkrieg im Kongo nicht schlecht profitieren. Als Smet-Nayes aufbraust, konfrontiert ihn Egmont Kabila mit einem Schiller-Zitat: Ich fordere Gedankenfreiheit, Sire! 14.00: FBI-Quellen informieren CNN, daß sie von der Annahme ausgehen, die vier abgestürzten Flugzeuge wären als Teil einer Terroristenattacke entführt worden. 14.30: Die FAA gibt bekannt, daß es bis mindestens Mittwoch 12.00 keinen kommerziellen Luftverkehr über den USA geben wird. 14.49: Giuliani teilt mit, daß U-Bahn und Buslinien in New York City teilweise den Betrieb wieder aufgenommen haben. Befragt nach der Zahl der Opfer sagt Giuliani: "Ich denke, wir sollten nicht darüber spekulieren -- mehr, als irgendeiner von uns ertragen kann." 15.00: Die Botschaftergruppe fährt gemeinsam beim CNM-Sitz vor und verlangt ultimativ, den princeps zu sprechen. Man läßt sie eine Stunde warten. 15.55: Karen Hughes sagt vor der Presse, der Präsident sei an einem unbekannten Ort. Später wird klar, daß es sich um die Offutt Air Force Base in Nebraska handelt. Der Präsident leitet über Telefon ein Treffen des Nationalen Sicherheitsrats. Vizepräsident Dick Cheney und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice befinden sich im Bunker unter dem Weißen Haus. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist im Pentagon. Giuliani gibt bekannt, daß die Anzahl der lebensgefährlich Verletzten in New York City ungefähr 200 beträgt, bei insgesamt 2.100 insgesamt Verletzten. 16.00: Laut CNN-Korrespondent David Ensor sehen offizielle Stellen deutliche Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft Usama Bin Ladens, der schon 1998 Anschläge auf zwei US-Botschaften verübt hatte. Der Princeps erscheint. Die Botschafter fragen ihn nach Beweisen für eine mögliche Täterschaft von Islamisten. Brodkey schildert, wie etliche Angehörige des Al-Quaida-Terrornetzes in den Wochen vor dem Angriff nach Afghanistan zurückgekehrt sind, um sich in Sicherheit zu bringen. Brodkey berichtet über die Passagierlisten. Er erwähnt Atta, dessen Gepäck verloren gegangen ist, weshalb sein Testament entdeckt wurde. Er erwähnt das Auto mit den Fluganleitungen in Washington. Smet-Nayes: Fluganleitungen in einem Auto und...ein Testament? Brodkey: Ein Testament, unterschrieben von zwei Zeugen. Smet-Nayes: Sagen Sie mir, warum Herr Atta sein Testament mit an Bord der Maschine hätte bringen sollen, wo es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verbrennen würde? Wenn er wußte, was er mit dem Flugzeug vorhatte, dann wußte er doch auch, daß von seinem Testament nichts übrigbleibt. Es scheint mir nicht sehr sinnvoll, ein Testament mit an Bord eines solchen Flugzeugs zu nehmen. Aber was anderes: Wieso habt ihr von alldem nichts bemerkt? Wieso wart ihr so blind? Trotz aller Warnungen: Jordanien, Ägypten und Algerien. Frankreich. Und - mit Verlaub auch COT. Es gab doch sogar eher unbedarfte Islamistenspinner, die in Flugschulen vorsprachen und nicht lernen wollten, wie man startet oder landet - nur wie man Kurven fliegt. Das hat Euch CLU gesagt. Habt Ihr wenigstens solche Spuren verfolgt? Brodkey: Ich kann dazu im Augenblick nichts sagen. Nur, daß die meisten Flugzeugentführer sich offenbar in den USA zu Piloten ausbilden ließen. Gelebt und studiert haben sie zumeist in Deutschland - Hamburg und Ruhrgebiet. Smet-Nayes: Die Verbindung zu Bin Laden scheint mir immer noch dürftig. COR: Hat die CIA wieder eine veraltete Straßenkarte gefunden? Wird nun wieder eine chinesische Botschaft bombardiert? Brodkey: Könnten wir denn mit Chinas Hilfe gegen den Terror rechnen? COR: Was erwarten Sie? Sollen wir über die wenigen Kilometer Landgrenze von Sinkiang ins Pamirgebirge klettern und nach Afghanistan einmarschieren? Oder möchten Sie auf Flugzeugträgern der Pazifikflotte Bomber starten und China solange überfliegen, bis sie ihre Last über Kabul loswerden? Brodkey: Es würde ja schon reichen, wenn Sie Bin Laden nicht unterstützen. COR: Wo hätte denn ausgerechnet China in den vergangenen Jahren den islamistischen Terror unterstützt? Wo denn bitte? Uns machen doch die eigenen Islamisten schon Probleme genug! Brodkey: Sie haben Slobodan Milosevic... Smet-Nayes: Das geht zu weit, jetzt! China hatte gute Kontakte zu Milosevic, das ja, aber zum Schluß haben sie im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Lösung ermöglicht. Brodkey: Und was will COT uns zur Beruhigung anbieten? Sie legen doch scheinbar so viel Wert darauf, daß wir besonnen und zeitversetzt reagieren. Sie halten uns doch offenbar für unfähig, zu erkennen, daß alle Optionen stinken. Smet-Nayes: Wir fürchten nur, daß ein überforderter Präsident unter dem Druck einer geschockten Öffentlichkeit einen fernsehgerechten Gegenschlag befiehlt. Brodkey: Und was wäre dagegen einzuwenden? CLU: Wenn Amerika jetzt einen falschen Schritt tut ... nur einen einzigen, dann löst es eine Kettenreaktion aus, mit der verglichen Huntingtons Clash of Civilizations eine harmloses Sandkastenspiel wäre. Sie werden konventionelle Gegner niederschlagen können. Das wird nicht ihr Problem sein. Heere gewaltbereiter Islamisten werden auf die Sraße gehen. In den Städten der westlichen Welt. Mehr noch in den gemäßigten islamischen Staaten. Deren Führungen werden stürzen. Saddam wird sich erheben. Sie werden von den Philippinen bis Gibraltar und von Tschetschenien bis zu den Quellen des Nil Terror erleben. Ihre Demokratien werden genötigt sein, sich selber abzuschaffen, sobald die ersten Anschläge mit biologischen oder chemischen Waffen erfolgt sind. Abermillionen Menschen werden sterben...das ist diesen Leuten völlig egal. Das sind Apokalyptiker. Die glauben, die Welt geht unter. Die bilden sich ein, von Allah den Auftrag zu haben, vorher noch rasch das Haus des Islam zu einigen und das Haus der Ungläubigen zu unterwerfen. Die wollen Weltherrschaft...nicht um zu herrschen, nur gerade eben rechtzeitig zum Weltuntergang. Brodkey: Das alles wissen wir. Vielleicht nicht der Präsident. Aber wir wissen es. Die Frage lautet - was haben Sie zu bieten? Was können wir dem Präsidenten und dem Volk der Vereinigten Staaten als Köder hinschmeißen, um sie von den roten Knöpfen wegzulocken? Smet-Nayes: Unsere Informationen habt ihr immer schon bekommen - naja, jedenfalls öfter, als wir die euren. Die Geheimdienste werden enger zusammenarbeiten. England wird, falls erwünscht, militärisch helfen. Rußland wird zumindest pro forma kooperieren, vielleicht sogar de facto. Putin hat Bush in der Air Force One angerufen und ein paar sehr vernünftige Sätze gesagt. Samjatin hat dazu geraten ... habt ihr einen Raum, wo ich ungestört telefonieren kann? (...) 16.06: Der kalifornische Gouverneur Gray Davis stellt Such- und Rettungsteams für New York bereit. 16.10: Es wird bekannt, daß Gebäude 7 des World Trade Center brennt. 16.20: Senator Bob Graham, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, sagt, er sei nicht überrascht, daß es einen Angriff gegeben habe. Schockiert habe ihn lediglich das Ausmaß. 16.25: American Stock Exchange und New York Stock Exchange geben bekannt, daß sie Mittwoch geschlossen bleiben. 16.30: Der Präsident verläßt Offutt Air Force Base in Nebraska an Bord der Air Force One, um nach Washington zurückzukehren. Als Paulus Smet-Nayes endlich telefonieren kann, ist die Präsidentenmaschine bereits unterwegs. Wieder hat Smet-Nayes Jessen am Apparat. Er erzählt ihm, daß der Präsident nach Washington unterwegs ist. Die Zeit werde knapp. Er fragt, ob zur Beruhigung der Amerikaner Artikel V des Natovertrags in Kraft gesetzt werden könne. Jessen will dies nicht allein entscheiden. Er muß es in der Praefectenkonferenz abklären. Sie unterbrechen ihr Gespräch. Paulus Smet-Nayes wartet auf Rückruf. 17.15: CNN-Korrespondent Jamie McIntyre berichtet, daß immer noch Teile des Pentagon brennen. Bis jetzt gibt es keine Opferzahlen. 17.20: Das 47-stöckige Gebäude 7 des World Trade Center stürzt zusammen. Das evakuierte Gebäude war beschädigt worden, als die Twin Towers zusammenbrachen. 17.30: CNN-Korrespondent John King berichtet, das in Pennsylvania abgestürzte Flugzeug hätte auf drei mögliche Ziele gerichtet sein können: Camp David, das Weiße Haus oder das Kapitol. Paulus Smet-Nayes kommt in den Besprechungsraum zurück und kann weitreichende Unterstützung zusichern. Die Spannung scheint etwas nachzulassen. Brodkey gibt die Neuigkeiten an seine Räte und legaten weiter, damit sie sofort beginnen, die Psyche des Präsidenten zu beackern. Als Quelle der Informationen gibt sich die CIA aus. Man beginnt, die Einzelheiten zu besprechen. 18.00: Aus Kabul werden Explosionen und Raketeneinschläge gemeldet. Unter anderem vom Flughafen. Paulus Smet-Nayes hat dies offenbar für den Beginn des amerikanischen Gegenschlags gehalten. Er muß gedacht haben, alle seine Bemühungen wären gescheitert. Ja mehr noch: Brodkey hätte ihn dreist getäuscht. Sein krankes Herz hat diesen letzten Schlag nicht mehr verkraftet. James Brodkey und die anwesenden Botschafter berichten übereinstimmend, daß Paulus Smet-Nayes wortlos zusammenbrach. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist er verstorben. Wenig später wird klar, daß es sich in Kabul um einen Angriff der oppositionellen Nordallianz handelte. |
6.00 Uhr MESZ, Venedig: magister Prokop Jessen beim mentalen Morgentraining: Ein Mann in Kniebundhosen. Das linke Bein über das rechte geschlagen, den Kopf auf die Arme gestützt, seitlich auf einen Tisch mit Papieren gesunken. Vögel, eulenartige Gesichter, böse Schnäbel, mit Fledermausschwingen, dringen auf den Schlafenden ein. Hinter ihm lauert aufmerksam ein luchsartiges Wesen, liegend, ohne sich um die Vogelwesen zu kümmern. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer. Francisco Goya, Caprichos, Blatt 43. 6.30: Jessen frühstückt. Er bestreicht ein Stück Ciabatta mit böhmischem Gänseschmalz aus seiner Heimat. Ißt. Dann geht er in die kleine Bar nebenan. Ein doppelter Espresso und ein Hörnchen. Heute wird er die Mittwochssitzung des Rats der 33 vorbereiten. Stabsarbeit. Informationsmanagement. Prokop Jessen ist magister consilii. Der Mann, der für successor Bucholtz den Alltagskram erledigt. Der Dienstag ist der härteste Tag seiner Arbeitswoche. 7.00: Analyse der Presseschau 8.00: Vorbesprechung mit Karl Bucholtz. 8.30: Dusch ruft an. Er weiß, daß die polnischen Parlamentswahlen zu den Steckenpferden des princeps gehören und fürchtet, ebenso wie Czartoryski, daß eine europafeindliche Mehrheit in den Sejm einzieht. Czartoryski dürfte erwarten, daß Deutschland sich verstärkt finanziell engagiert, um den Europagegnern ihre Meinung abzukaufen. Dusch will klarstellen, daß es in der deutschen Politik hierfür derzeit keinen Spielraum gibt. Jessen sichert Dusch zu, daß das Thema auf der Tagesordnung stehen wird. Wahrscheinlich unter Punkt "Verschiedenes". 9.00: Recherchearbeit im Archiv. Jessen begegnet dem praefecten Manini. Beide haben keine Neuigkeiten über De Kempenaer. Manini erwähnt die mangelnde Bereitschaft der Amerikaner, den Statusbericht der Konferenz von Malta zu paraphieren. Manini: Das können wir morgen also immer noch nicht abschließend besprechen. Jessen: Kein Problem, es wird ohnehin über den Nahen Osten zu sprechen sein. 10.00: Im Büro von Prokop Jessen tragen die Ressorts letzte Wünsche für die morgige Tagesordnung vor. Jedes Ressort ist durch einen magister vertreten. Herr Dsien, magister imperii, weist auf die polnische Problematik hin, die princeps Czartoryski unbedingt auf der Tagesordnung sehen will. Jonas Stämpfli, magister strategus läßt wissen, daß ein beschlußfähiger Plan der Strategiepraefectur vorliegt. Es geht um Zurückdrängung großalbanischer Einflüsse in der albanischen Innenpolitik. Der UCK könnte mittelfristig die Unterstützung des Staates Albanien entzogen werden. Tommaso Guardini, magister magistrorum trägt vergeblich vor, die Neueinstellungen, die sein Chef Rodil in Istanbul getätigt hat, gehörten auf die Tagesordnung. Jessen sagt ihm, Personalsachen würden erst in der kommenden Woche wieder besprochen. Charles Lebret, magister horrei, legt dar, die Finanzlage sei entspannt. Im Übrigen sei es geglückt, einige Kontobewegungen Gerrit Daniel De Kempenaers aufzuspüren. Abgesehen von diesem letzten Punkt, meint Jessen, gehöre nichts aus der Finanzpraefectur auf die morgige Tagesordnung. Lebret: Aber die Belohnung auf De Kempenaers Kopf, 100 Mio. US-Dollars, sollen wir die nicht lieber auf einem Termingeldkonto anlegen? Jessen: Und? Drei, vier oder sechs Monate? Wollen wir das dann auch noch veröffentlichen, damit De Kempenaer Rückschlüsse ziehen kann, wie lange wir ihm noch geben? Nein, Herr Kollege! Zweck dieser ungeheuerlichen Summe ist es doch, ihm sein Gefolge abspenstig zu machen. Oder vielmehr umgekehrt: De Kempenaer wird niemand mehr vertrauen und in seiner Nähe dulden, weil er fürchten muß, daß jeder in Versuchung kommt, ihn für hundert Millionen zu verraten. Wir isolieren ihn. Sollte uns aber jemand seinen Kopf bringen, dann wird der Betreffende noch in derselben Stunden ausbezahlt. Das Geld bleibt auf dem Schweizer Nummernkonto. Wer uns De Kempenaer ausliefert - kriegt die Nummer und kann sofort verfügen. Basta. WennIhnen das nicht zusagt, wenden Sie sich an den successor. Aber auch der wird nichts anderes befehlen. Die beiden magister aus der Ordo-praefectur sind vollauf beschäftigt mit der Jagd auf Gerrit Daniel de Kempenaer. Konstantin Ghika po hat deshalb seinen Sekretär Tandler mit einer Wunschliste von Themen geschickt, die ohne weitere Diskussion auf die Tagesordnung gelangen. Gustav Boström, magister des praefectus extra, trägt nach, außer der Nahostproblematik gehöre noch das Taliban-Problem auf die Tagesordnung. Nach dem tödlichen Anschlag auf General Massud, den Kommandeur der oppositionellen Nordallianz in Afghanistan, stelle sich die Frage, ob die Allianz nun zerbreche. Sei das der Fall, könnte das Taliban-Regime plötzlich nicht nur an die gesamte tadschikische Südgrenze grenzen, sondern, über den sichelförmigen Landstreifen des afghanischen Pamirgebirges, auch direkt an China. Boström: Wie stellen wir uns dazu? Tadschikistan ist nicht unser Kern-Interessengebiet, aber 1000 neue Kilometer gemeinsamer Grenze bedeuten 1000 neue Möglichkeiten, Rohopium und islamistische Kämpfer hin- und herzuschieben. 12.00: Jessen wird beim Mittagessen mehrfach von Rodil angerufen. Rodil will ihn überreden, die Istanbuler Personalsachen doch noch auf die morgige Tagesordnung zu setzen. Jessen gibt nicht nach, verspricht aber doch, unter dem Druck des höherrangigen Rodil, die Sache noch einmal mit successor Bucholtz zu besprechen. 13.00: Jessen und Bucholtz treffen sich in Bucholtz' Büro. Sie besprechen die morgige Sitzung. Für die von Jessen aufgesetzte Tagesordnung zeichnet letztendlich Bucholtz verantwortlich. Es liegt eine Menge an. Die Wünsche des Personalpraefecten werden deshalb von Bucholtz gleich anfangs zurückgewiesen. Jessen macht Bucholtz eine Reihe weiterer Vorschläge, die der successor kurz und bündig billigt. Die Tagesordnung soll sieben Punkte umfassen. TOP
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7 14.45: Ein entführtes Passagierflugzeug, American Airlines Flug 11 von Boston, Massachusetts fliegt in den Nordturm des World Trade Center. Das Flugzeug reißt ein großes Loch in das Gebäude. Feuer bricht aus. 14.53: Manini ruft in Bucholtz' Büro an - sie sollen dringend den Fernseher einschalten. Bucholtz: Da oben hab ich oft gesessen und gefrühstückt. Jessen: Ich nur einmal. Als Tourist. Bucholtz: Ich war als Smet-Nayes' Sekretär ein Jahr lang in New York. 15.03: Das zweite entführte Flugzeug, United Airlines Flug 175 von Boston durchschlägt den Südturm des World Trade Centers und explodiert. Jessen: Was ist das? Doch offensichtlich Terror. Palästinenser? Bucholtz: Freunde vom Unabomber? Ab jetzt dürfen wir nichts
mehr glauben. Niemandem. Such für morgen alles neu zusammen.
De Kempenaer bleibt auf der Tagesordnung. Alles andere streiche! Statt
dessen: wie können wir die Amerikaner beruhigen? Angesichts dieses
Anschlags müssen sie zurückschlagen. Wir müssen aufpassen,
daß sie nicht wie die Berserker drauflosprügeln. Dem Bush
trau ich das zu. Jessen: Und der Nahe Osten? Also ich meine jetzt natürlich die traditionelle Problematik Israel-Palästina... Bucholtz: ...wird wohl der Knackpunkt sein. Laß das auf der Tagesordnung. Prokop Jessen beginnt, Informationspakete für die morgige Sitzung zu schnüren. Da er immer wieder von Anrufern unterbrochen wird, die mit successor Bucholtz sprechen wollen, kommt er nur langsam voran. Er bittet den Sekretär Rouvier und Karl Bucholtz' maiordomus Richard Lank zu sich. 17.00: Unterrichtung Jessens über die pro-forma-Gespräche, die Czartoryski und Bucholtz mit ihren Kollegen in Boston hatten. 17.30: Smet-Nayes, der eigentlich mit Bucholtz sprechen will, erreicht
statt dessen magister Prokop Jessen, der in Bucholtz'
Büro die Stallwache hat, Jessen, Lank und Rouvier arbeiten an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Sie müssen die Arbeit einer Woche an einem halben Tag erledigen. Sie sammeln in verzweifelter Eile Informationen. Dazwischen Anrufe, Beschwichtigungen, Aufmunterungen, Appelle, stille Flüche. 19.30: Jessen empfängt einen Anruf Rodils aus Istanbul. Der Personalchef des Rates hat legaten vereidigt, ohne den förmlichen Ratsbeschluß abzuwarten. Jessen kann darüber nicht einfach hinwegsehen. Er macht Rodil wenig Hoffnung, daß die Führung sein Vorgehen akzeptieren werde. Jessen unterbricht die Konferenz der hohen Herren und ist völlig verblüfft, weil ausgerechnet ... Bucholtz sagt: Schwamm drüber. Richte ihm aus, es ist okay. Ghika aus dem Hintergrund: Aber sag ihm außerdem, er soll froh sein, daß das Konzept des Duells veraltet ist! 20.00: Das Telefonat mit Rodil ist beendet. Jessen, Lank und Rouvier arbeiten unter Hochdruck weiter. 23.30: Paulus Smet-Nayes ruft wieder an. Präsident Bush ist in der Air Force One unterwegs zum Weißen Haus. Wenn man ihn beeinflussen will, dann muß man es jetzt tun, ehe er vor die Kameras tritt und sich verrennt. Smet-Nayes fragt, ob die NATO nicht den Bündnisfall ausrufen könnte, weil eines ihrer Mitgliedsländer von außen angegriffen worden ist. Jessen: Ich kläre das in der Praefectenkonferenz. Smet-Nayes: Bitte rasch! Jessen: Was ist mit Ihrer Stimme? Fühlen Sie sich nicht wohl? Smet-Nayes: Nicht so ganz. Aber das macht nichts. Ich bin ein alter Mann. Wenn mir nichts wehtut, weiß ich, ich bin tot. Soeben erfahren wir übrigens, das in Pennsylvania abgestürzte Flugzeug hätte ursprünglich ins Weiße Haus stürzen sollen. Jessen: Gibt es noch eine staatliche Autorität in den USA? Smet-Nayes: Den Schwätzer in der Präsidentenmaschine. Den Vizepräsidenten und Rice im Atombunker unter dem Weißen Haus. Jessen: Ich tu, was ich kann. Jessen dringt nochmals ungebeten in die Praefectenkonferenz ein und schildert die Dringlichkeit der Lage. Bucholtz geht raus, um mit Dusch über die NATO und den Koalitionsfrieden der rotgrünen Regierung zu telefonieren. Polignac eruiert die Haltung des französischen Präsidenten. Manini telefoniert mit Italien. Czartoryski sagt: England ist ja sowieso dabei. Manners: sowieso. Und Spanien, fragt Manners. Czartoryski nickt. Samjatin, der schon den ganzen Nachmittag mit dem Kreml spricht, signalisiert, daß er verreisen muß. Aber grundsätzlich will Rußland in dieser Frage keinen Konflikt mit den Vereinigten Staaten. Nach und nach kommen die Telefonierer wieder in den Beratungsraum zurück und signalisieren Zustimmung. Czartoryski: Schönen Dank übrigens, Herr Jessen. Sie leisten hervorragende Arbeit. Eigentlich hätte mein eigener magister Herr Dsien Stallwache sein müssen, während wir hier konferieren. Aber der ist unterwegs nach Kairo. Wir müssen CLU den Puls fühlen. Und sehen, was sich auf den Straßen der Stadt tut. Und an der Universität. Prokop Jessen kehrt ans Telefon zurück und gibt Paulus Smet-Nayes freie Hand. Der Nordatlantikpakt wird Amerika den Bündnisfall anbieten. Minuten später kehrt Karl Bucholtz in sein Büro zurück. Die Praefectenkonferenz ist beendet. Für die morgige Ratssitzung muß eine Tagesordnung her. 12. September 2001 0.08: Adam Bonaventura Czartoryski stößt zu Jessen und Bucholtz in deren Zimmerflucht. Czartoryski: Herr Jessen, rufen Sie bitte Juan Rodil an! (...) Juan, mein Freund! Hast du uns neue Leute ins Boot geholt? Bravo! Du verstehst sicher, daß wir jetzt keinen Krieg mit dem gesamten Islam anfangen dürfen....ja und genau deshalb müssen wir nicht nur in den Vorortmoscheen in Krakau und Newquay für Ordnung sorgen, sondern auch in den Ländern, wo die Interpretationshoheit über den Koran liegt. (...) Natürlich müssen wir den Mittleren Osten stabilisieren. Nächste Woche ist der pakistanische Staatschef in Peking. Stell dir vor, die kungeln was aus, um sich als Schutzmächte Afghanistans aufzuspielen! Ho Lung könnte in Versuchung geraten, sich für die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad zu revanchieren! Und die Geschichte mit dem amerikanischen Flugzeug war auch nicht so toll. Von Ballistic Missile Defense ganz zu schweigen. .... Ganz recht, die russisch-chinesische Annäherung war nach den grobschlächtigen Auftritten Bush's fast unvermeidlich. Und China ist natürlich an dem ... ganz genau - die Energiereserven. Zum Glück prügeln sie sich mit ihren eigenen islamistischen Minderheiten. So ist unwahrscheinlich, daß sie sich jetzt als Schutzpatrone aufspielen. Also - du fliegst nach Kairo. Juan, mein Freund. Wenn du in Kairo fertig bist und die Muslims beruhigt hast... Bucholtz: Allmächtiger Herr! Czartoryski: Sprichst du mit mir? Bucholtz: Aber natürlich! Mit wem sonst? Czartoryski: Karl, halt besser den Mund! Juan....sobald Kairo erledigt ist, ... (...) Nein, nimm den Toprak nicht mit. Es gibt immer noch gewisse Ressentiments zwischen Türken und Arabern, kein Wunder, nicht wahr - und die Türkei wird fest zur NATO stehen und ... ganz genau! Also, sobald du in Kairo fertig bist, fliegst du nach Peking. Mein magister Dsien ist schon auf dem Weg nach Kairo, um dich dort zu treffen. Er wird dir die Einzelheiten unserer Argumentation mitteilen und die ersten Schritte auf dem Pekinger Parkett erleichtern. Du hast unbeschränkte Vollmacht, COR ins Boot zu holen. Samjatin ist übrigens schon in der Luft, und auf dem Weg nach Moskau. Und Karl fliegt in die Staaten ... nein nicht direkt natürlich, über Kanada. |
Copyright © 2007 Stefan Frank